Das Versprechen

 

Es war kurz vor Ende des Krieges als Josephine den Britischen Offizier Robert Abcott kennen lernte. Die Hauptstadt Frankreichs war halb Zerstört durch die deutsche Besatzung, überall herrschte Armut, und alle mussten zusehen wie sie über die Runden kamen. Josephine war gerade erst Achtzehn geworden, und musste sich schon über vier Jahren ohne Eltern durchschlagen. Hitlers Armee hatten ihr ihre Eltern geraubt, doch mit sehr viel Glück konnte sie in einem der wenigen Lokale eine Rolle als Tänzerin ergattern.

 

Das Mädchen kam über die Runden, und sie war froh sich für ihren Unterhalt nicht verkaufen zu müssen wie viele andere ihrer Altersgenossinnen. Deswegen war sie sehr misstrauisch als Robert sich ihr vorstellte.

 

Entgegen vieler Vermutungen war es für den Engländer keine Liebelei, kein flüchtiges Abenteuer in Paris, trotz des Altersunterschiedes von fast 15 Jahren hatte sich der Soldat unsterblich in die schöne Pariserin verliebt. Anfangs wehrte sich Josephine noch gegen die höflichen Avancen, die kleinen Präsente und die abendlichen Geleitangebote nach Hause. Doch bald erkannte auch sie das Robert es ernst meinte, und sie ehrlich und ohne vorbehalte liebte. Natürlich konnten sie zu dieser Zeit nicht Heiraten, Roberts Truppen würden in ein paar Tagen Richtung Berlin ziehen und Europa, hoffentlich, befreien.

Dennoch, am letzten Abend nach einer Tanzvorstellung überreichte Robert ihr einen kleinen, mattgoldenen Ring, und bat in aller Form um ihre Hand. Josephine war überwältigt, doch ängstlich.

 

„Was wenn du wieder nach England fährst? Wer sagt mir das du mich hier nicht zurücklässt?"

 

Robert, der sie lächelnd mustert, weich umarmt, sie mit seinen graublauen Augen ehrlich ansieht.

 

„Josephine meine Liebste, ich kann dir versprechen, was auch passiert, ich werde dich nie vergessen, und werde dich mitnehmen, du sollst an meiner Seite sein!"

 

Die Französin war offen gerührt, wenn auch immer nicht ganz sicher. Viele Offiziere versprachen den Mädchen das blaue vom Himmel um das zu bekommen was sie wollen, um dann für immer zu verschwinden. Doch selbst nachdem sie der Verlobung zugesagt hatte bat Robert ganz Kavalier nur um einen keuschen Kuss auf die Lippen, und verabschiedete sich nach Berlin.

 

Nicht ganz zehn Wochen später war der Krieg offiziell zu Ende. Die Franzosen jubelten ungehemmt, Berlin stand in Flammen, der Führer hatte sich in den Selbstmord geflüchtet, Frankreich war frei. Alle außer Josephine waren im Freudentaumel, sie musterte den mattgoldenen Ring an ihrem zierlichen, blassem Finger.

 

Würde Robert kommen? Lebte er überhaupt noch? Sie hatten vereinbart drei Tage nach Kriegsende sich auf dem Pariser Bahnhof zu treffen, doch würde er überhaupt erscheinen?

Am ersten Tag war sie sich sicher das Robert gefallen wäre, läge tot in irgend einem Graben vor Berlin, von Maschinengewehrsalven zerfetzt.

 

Am zweiten Tag schalt sie sich eine dumme Gans, der englische Offizier hatte sich einen spaß mit einer kleinen Französin erlaubt, und er war längst daheim bei einer Ehefrau die er immer verschwiegen hatte.

 

Am dritten Tag...nahm sie all ihren Mut zusammen, und packte ihre Sachen. Robert würde kommen, er hatte es ihr versprochen. Er würde sie nicht im Stich lassen. Er würde kommen. Am Abend herrschte auf dem Pariser Bahnhof ein schreckliches durcheinander, aberduzende Soldaten, Französische vor allem kamen massenweise mit jedem Zug von der Front, wurden überglücklich von ihren Familien und Verwandten in die Arme geschlossen, Tränen der Freude wurden vergossen. Doch auch viele Soldaten brachten Totenscheine mit sich, überreichten sie betrübt den Frauen und Müttern der Kameraden die schluchzend zusammenbrachen. Nicht jeder kam aus dem Krieg.

 

Josephine stand etwas abseits des Bahnsteigs, musterte dieses bizarre Ballett aus Freude und Trauer, Glück und Hoffnungslosigkeit. Welches los würde ihr zuteil werden? Sie überlegte einen Moment was schlimmer für sie wäre: Roberts Tod oder sein Verrat. Wäre sie gar glücklicher würde sie es nie erfahren? Wenn Robert einer der ewig Verschwunden bleiben würde? Nervös biss sie sich auf den Finger, als eine Gestalt hinter ihr erschien.

 

„Ich sagte dir doch ich würde kommen"

 

Robert! Da stand ihr britischer Offizier, in seiner fleckigen, jedoch ansehnlichen Uniform, er lebte und er hatte sein Versprechen gehalten! Nun konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, umarmte ihren Verlobten ungehemmt...

 

„Ich war mir so unsicher Robert..."

 

Doch Josephines Offizier lächelte nur weich, legte ihr behutsam einen Finger auf ihre roten Lippen.

 

„Du musst dich nur warm anziehen, denn wohin wir reisen ist es sehr kalt und feucht, England ist anders als Paris."

 

Doch das war dem Mädchen vollkommen egal, sie konnte endlich ihr altes Leben hinter sich lassen und ein neues beginnen. Vier Wochen später waren beide endlich angekommen. Robert hatte wie Josephine all seine Verwandten im Krieg verloren, doch sein Anwesen war beeindruckend, ein klassisch altenglisches Landhaus in den Bergen von Sussex.

 

Es war eine herrliche Gegend, Pinien und Buchenwälder schlängelten sich majestätisch zwischen die Hügelketten, und boten Josephin und ihrem Ehemann einen beeindruckenden Anblick. Robert war kein armer Mann, und hatte sogar einen Hauswirtschafter, einen gerade mal zwanzig Jährigen Spund namens Henry, der immer höflich und freundlich zur neuen Hausherrin war.

 

Josephine liebte ihr neues Anwesen, das neue Leben, nach einem Jahr Ehe mit Robert erschien ihr das Leben in Paris wie ein hässlicher Traum. Zu ihrem Hochzeitstag schlug sie vor über das Land zu fahren, die Gegend zu erkunden. Robert, der in diesem Jahr als ihr Ehemann tadellos und liebevoll war wie am ersten Tag ihres Treffens in Paris stimme sofort zu, er wolle ihr das Moor in den Wäldern zeigen, er kannte dort in der mystischen Landschaft einen herrlichen Platz für ein Picknick.

 

Es war ein wundervoller Tag, das sonst so trübe Wetter wich der Sonne, und sie ließen sich Nahe des Waldgebietes fahren. Robert hastete geschickt zwischen den Bäumen Richtung Moor, Josephine hatte Mühe ihrem Gatten zu folgen. Das Moor lag im Nebel, und Roberts Frau musste zugeben das sie diese Gegend eher unheimlich als „mystisch" empfand. Es war eine Abgelegene Gegend das zu Roberts Anwesen gehörte, und niemand verirrte sich je hierher.

 

Dennoch wurde es ein angenehme Stimmung als Robert einen nettes stück Wiese erspähte, die Sonne betonte sein Profil.

„Diese Gegend ist ganz schön Unheimlich Liebster"

„Ach Jopsehine mein Täubchen, das ist lebende Geschichte! Angeblich fanden hier vor grauer Vorzeit alte Keltische Rituale statt, und selbst viele Dichter ließen sich von solchen Orten inspirieren."

 

Josephine nickte nur, lies sich einen Rotwein von ihm einschenken, während Henry mit dem Picknickkorb hinterherkam.

„Sind den solche Leute auch HIER anzutreffen?" fragte sie unsicher.

 

Während ihr Angestellter den Korb absetzte schüttelte Robert lächelnd den Kopf.

 

„Sei unbesorgt Liebste, niemand wird uns heute stören."

 

Josephine nickte nur knapp „Gut".

 

Das nicken galt Henry, der schnell einen Stick aus seinem Mantel holte und sie brutal um Roberts Kehle legte, ihn kräftig würgte. Der englische Offizier bekam erst zu spät mit was überhaupt passierte, panisch griff der nach der Würgeschlinge, zerrte zuckend und röchelnd daran während seine Augen langsam hervortraten, der Kopf feuerrot.

 

Josephine hatte einen Entschluss gefasst. Natürlich war Robert immer ein Gentleman gewesen, und er hatte sie aus ihrer Gottverdammten Armut gerissen, aber sollte sie nun ewig an diesem alten Knilch gebunden sein? Sie hatte Geschmack am guten Leben gefunden, doch es war noch so viel mehr möglich! Natürlich hatte sie Schmuck und ein gutes Einkommen, doch sollte das alles sein? Sie war jung, schön und wollte mehr. Mehr Schmuck, Besitz, und Reichtum.

 

Sie sah ein das ihr netter, doch naiver Robert dabei im Weg stand. Mit nur wenige bedauern sah sie zu wie Henry weiter zerrte, Roberts Lippen waren inzwischen Blau, der Hals blutig von den Striemen. Endlich mit einem letzten qualvollen Ächzen sackte ihr Ehemann tot zu Boden, Henry röchelnd über ihm.

 

„Der alte Bastard hat sich ganz schön gewehrt" erklärte ihr neuer Liebhaber erschöpft.

 

Josephine wand den Blick ab, sie wollte die Leiche nicht genauer betrachten. Henry’s Schlinge war am Ende so brutal gewesen das sie Roberts Kehle fast zerrissen hat, dunkles Blut tränkte langsam das Gras.

 

„Nun mach schon Geliebter!" säuselte Josephine gekonnt „Schaff ihn ins Moor, niemand soll ihn wiederfinden."

 

Am Ende sieht Josephine mit Triumph zu wie Roberts Körper langsam im schwarzen Schlamm des Moores einsinkt, für immer verschwindet. Natürlich hatte sie mitleid mit dem treuen Dummkopf, aber sollte sie wegen ihm auf ein richtiges Leben verzichten? Sie schüttelte den Kopf, Opfer mussten gebracht werden, da führte kein Weg dran vorbei.

 

Sie lenkte sich schnell ab als sie mit Henry nach Hause fuhr, und stürmisch ihre „Scheidung" feierte...

 

Die nächsten Monate waren ein voller Erfolg. Robert galt als verschwunden, und Josephine, die ohne mühe Trauertränen zeigen konnte, wurde alles Vermögen übertragen, natürlich nur bis Robert wieder auftauchen würde. Als das größte Vermögen verbraucht war überlegten sie und Henry wie man weiterkommen könnte.

 

Ohne Mühe fand sich ein alter, rührseliger Bänker den Josephine überzeugen konnte ihr ein beträchtliches Vermögen zu vererben. Henry erledigte mit einem getürkten Überfall mit tödlichen Ausgang den Rest, und abermals konnte die Französin im Prunk und Luxus leben.

 

Aber fast ein Jahr nach ihrem ersten Mord wurde Henry nach und nach lästig, wie Josephine fand. Er verprasste gerne ihr Geld, war schnell an der Weinflasche und drohte immer wenn sie wütend wurde zur Polizei zu gehen. Es war keine Frage für sie das Henry nun auch gehen musste, und sie hatte auch einen Plan.

 

Mit einigen Kontakten konnte sie sich ein Pülverchen Arsen beschaffen, ein tödliches Gift das kaum nachweisbar war. Ein Herzinfarkt bei diesem Trunkenbold würden alle glauben. Natürlich musste sie ihn in Sicherheit wiegen.

 

In ihrem schönsten Nachtgewand setzte sie sich verführerisch an die Bettkante, wartete auf ihn. Sie hörte ihn nebenan mal wieder Trinken, doch sie mahnte sich zur Geduld. Dabei starrte sie aus dem Fenster. Es war schon Abend, und sie überlegte ob sie irgendwas vergessen hätte.

 

Plötzlich ein poltern, ein dumpfes Ächzen. Josephine blickte Richtung Tür, war Henry umgefallen? Sie musste schwach lächeln, wenn er sich ausgerechnet heute das Genick brechen würde wäre wohl ich Glückstag...

 

Glückstag?

 

Dann hörte sie aber doch ein schlurfen, und er stand im Türrahmen. Die Dunkelheit hatte ihn in Schatten gehüllt, wie er da lauerte und einfach verharrte.

 

„Liebling, geht es dir gut? Komm doch, lass uns Trinken und feiern Liebster"

 

Ihre Stimme wurde unsicher, was war das? Es roch feucht und moderig, woher kam das? Heute war...

 

Dann viel es Josephine wieder ein.

 

Heute war der Verlobungstag mit Robert gewesen, genau vor zwei Jahren in Paris.

 

Ihr Herz pochte, ihr Atem begann zu rasseln, ein kalter Schauer jagte ihr über den Rücken.

 

„....Henry?"

 

„Nein..."

 

Josephine Herz machte einen Satz als diese gurgelnde, blubbernde Stimme an ihr Ohr drang. Es klang als wäre jemand unter Wasser.

 

Dann trat Robert ins icht das durchs Fenster schien.

 

Seine Haut war bleich, aufgequollen bleich und ölig, die Haare wirr und verschmiert, die Kleidung zerlumpt. Seine Augen schienen wässerig, die Lippen waren aufgequollen und blau, ebenso die Zunge, sein Körper war überzogen mit Moorschlamm.

Josephine griff sich an die Brust, ihr stockte der Atem und sie konnte vor Wahnsinn kein Wort herausbringen, ihre Augen fast weiß vor Schock. Robert wankte ein zwei Schritte weiter, seine nassen Füße hatten keine Schuhe mehr, er hinterließ nasse Fußabdrücke auf dem Holzboden.

 

„Josephine..."

 

Die Französin sah deutlich den Moorschlamm zwischen seinen Lippen herausquellen, die Zähne waren gelb und faulig, und sie sah deutlich die klaffende Halswunde aus der Wasser und Schlamm rann.

 

„Ich hab dir...doch versprochen das was auch passiert.... ich werde dich nie vergessen, und werde dich mitnehmen.... du sollst an meiner Seite sein....für immer..."

 

Endlich fand sie die Kraft zu schreien.

 

Robert, ihr treuer Ehemann.

 

Der immer seine Versprechen hielt.

 

„Du musst dich nur warm anziehen Liebste, denn wohin wir nun Reisen.... wird es seeeehrrr seehrrr kalt und feucht..."

 

Die Ohnmacht erlöste sie, und sie bekam nicht mit wie Robert sie liebevoll in seine Toten Arme nahm, langsam aber glücklich Richtung Moor wankte...

-

 

Später fand die Polizei keine Spur von Josephine. Der Hausverwalter Henry wurde bewusstlos aufgefunden und bald für den Mord an dem Ehepaar für Schuldig befunden und zum Tod durch den Strang verurteilt.

 

Niemand wusste was genau passiert war, doch noch lange rätselten die Beamten über die nassen Fußspuren die aus dem Haus führten...

 

Ende

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