Natalies große Show

Die Halle war bis auf den letzten Platz ausverkauft, die Stimmung steigerte sich langsam zum Siedepunkt und löste sich explosionsartig als die Vorhänge zur Seite glitten und einen Blick auf die Band freigab. Natalie begrüßte ihre Fans die sofort im Chor “Secret Sin” forderten.

 

Die Gitarristin und gleichzeitige Sängerin der Gruppe lächelte und drehte den Kopf zu ihrem Drummer. “Nun fang an, oder soll ich ewig warten?”

 

Endlich setzte die Musik ein und Natalie begann mit ihrer Darbietung. Die Zuschauer sangen jede Strophe des düsteren Rocksongs mit, schwenkte ihre Feuerzeuge und bejubelten sich und die Sängerin. Als die bekanntesten Stücke gespielt waren nutzte sie die Gelegenheit ein paar Worte an ihre Fans zu richten. “Danke euch, ihr seid die Größten, nun möchte ich noch etwas aus meiner neusten...” doch schon unterbrach sie das Publikum mit der Forderung nach “Moon Fear” und anderen bekannten Hits.

 

Die Künstlerin verstummte, lächelte und tat wie geheißen. Innerlich jedoch fühlte sie sich niedergeschlagen. Secret Sin, Moon Fear, Shadowtale und Black Cat waren ihre erfolgreichsten Hits, Songs an denen sie Wochenlang in Studios gearbeitet hatte. Natalie Night die Rocksängerin hatte innerhalb eines Jahres nicht nur Deutschland, sondern auch international einen Raketenstart hingelegt und andere Exporte wie Rammstein oder Tokio Hotel längst überrundet.

 

Geboren als Natalie Lehrbein hatte sie von klein auf Gesangs- und Gitarrenunterricht genommen. Sie lebte, atmete und existierte nur für ihre Musik, doch erste Versuche mit anspruchsvollen Texten und tiefsinniger Prosa hatte ihr wenig Erfolg beschert. Erst als sie kommerziellere Lieder schrieb und sie mit Goth- und Punkoutfits präsentierte wurde man auf sie aufmerksam.

 

Natalie tourte durch Europa, Amerika, selbst in Australien hatte sie vor Millionen Menschen gespielt und wurde gefeiert. Sie mochte ihre Werke, doch sie fand selbst das sie anspruchsvoller sein konnte, wollte. Aber jeder Versuch von der Norm ihrer Texte und Lieder abzuweichen wurde nicht nur von ihrem Manager, sondern auch vom Publikum wenig euphorisch aufgenommen.

 

Sie war nicht eitel, sie wollte doch nur mehr tun als inhaltslos düstere Liedchen zu gurren und dabei mir ihrem Hintern zu wackeln. Sie schätzte jeden Fan und wusste das diese ihren Erfolg erst ermöglicht hatten. Doch wenn die Anhänger monatelang nur nach Secret Sin und ähnlichen Hits riefen wünschte sich Natalie ab und an ein anspruchsvolleres, ein offeneres Publikum.

 

Nat Nat Nat” ihr Konzertmanager winkte ihr väterlich zu, sein dunkler, buschiger Schnurrbart verformte sich um seine Lippen nach oben. “Das neue Zeug ist ja ganz nett, aber du kennst die Fans: Wenn sie zu lange über die Texte und Botschaften nachdenken dann wechseln sie schnell die Lager. Denk an die Konkurrenz.”

 

Die Sängerin sah das anders. Sie war von ihren Liedern überzeugt und wollte sie auf das neue Album packen. “Wenn ich nicht mal mehr von meinen eigenen Liedern überzeugt wäre, was für eine Künstlerin wäre ich denn dann?” fragte sie.

 

Eine Geschäftstüchtige?” Natalies Manger strich sich seine Jacke über den imposanten Bauchumfang zurecht. “Du musst den Fans das geben was sie wollen, oder du verlierst sie.”

Doch die junge Frau erwiderte das sie lieber auf einige Anhänger verzichten würde anstatt immer wieder die ewig selben Songs zu spielen. Der beleibte Veranstalter wiegelte ab. “Du bist erschöpft, ich verstehe das Nat” er lächelte und zog wie durch Zauberhand einen Stapel Papier hervor. “Sieh dir das einfach an, ich denke du wirst ganz zufrieden sein.”

 

Die Sängerin sah sich verwirrt die Seiten an. Düstere Songtexte ähnlich wie ihre ersten Werke. Dunkel, kommerziell und vor allem: ohne Botschaft. “Was soll das?”

 

Natalies Manager klärte sie darüber auf das DIESE Lieder ihr neues Album sein würden. Die Sängerin war fassungslos. “Die habe ICH nicht geschrieben!” ereiferte sie sich. Abermals winkte ihr Manager ab. “Denkst du die Stars von heute schreiben ihre Songs alle selbst? Süße, denke an Madonna, denk an die Spears, keine von denen macht sowas noch selber.” Er strich sich abermals die Jacke zurecht. “Das sind ausgezeichnete Stücke einiger talentierter Jungs aus Amerika, ich garantiere dir das sind Top Ten Hits!”

 

Die junge Frau verneinte ärgerlich. Andere Stars konnten es handhaben wie sie wollte, sie hatte immer für sich gestanden und würde nicht irgendwelche eindimensionale Werke für ihre eigenen Ausgeben. Die Diskussion artete aus und begann zu eskalieren. Der Manager mahnte sie an das Geld zu denken, doch da war er bei Natalie an der falschen Adresse. Lieber würde sie bettelarm an der Straßenecke ihre eigenen

Werke singen als wegen dem Mammon ihre Seele zu verkaufen, so ihre Aussage.

 

Du hast einen Vertrag Nat!” knurrte der Konzertmanager nun, sein rundes Gesicht rot wie eine Tomate. “Wir lassen dich fallen, denkst du ich finde nicht fünf von deiner Sorte an jeder Straßenecke? Du warst niemand bevor ich dich zu jemand gemacht habe!”

 

Natalie bemühte sich um Ruhe, nickte und stimmte zu. Dann solle er ihren Vertrag auflösen, sie hatte keinen Bedarf ein Star ohne Tiefe zu werden. Sie war gerne berühmt gewesen aber wenn das hieße bis an ihr Ende immer wieder dieselben Songs zu trällern ohne die Chance sich zu entwickeln... dann wollte sie keinen Tag länger im Showgeschäft bleiben.

 

Der Konzertmanager war sichtlich überrumpelt. Er hatte jahrelang internationale Stars betreut und produziert, doch noch nie hatte einer beim Geld verneint. Er überlegte fieberhaft und schraubte schnell den Tonfall herunter, ereiferte sich die Situation zu entschärfen. Er habe es natürlich nicht so gemeint, man könnte sicher über alles reden und man würde schon eine Einigung erzielen. Die Sängerin war sichtlich erleichtert doch ihre Chance zu bekommen, und letztendlich verabschiedete man sich mit dem gegenseitigem Versprechen nach einer kurzen Pause das Ganze nochmal zu bereden.

 

Aber ab dem Moment als Natalie aus der Tür war fasste ihr Manager einen Entschluss der sein Leben und das seines Schützlings gravierend verändern würde...

 

Exakt zwei Monate später verabredete er sich mit seiner Künstlerin nahe einer ländlichen Ortschaft fernab größerer Zivilisation. Natalie würde für wohltätige Zwecke einige Bilder mit Kindern von sich machen, dann würde man über einen neuen Vertrag und über das nächste Album sprechen.

 

Die Sängerin parkte ihr Auto nahe eines Wäldchens und sah sich um. Von ihrer Band und anderen Menschen keine Spur, hatte sie sich verfahren? Sie überprüfte nochmals ihren Navi, dieser bestätigte die Angaben: Sie war am richtigen Ort. Sie ging einige Schritte in alle Himmelsrichtungen in der Hoffnung ein Haus, eine Bühne oder ähnliches zu sehen das auf eine Veranstaltung schließen lassen würde, doch die Straße führte nur weiter in die Pampa. Urplötzlich sah sie einen Wagen, ein Lächeln huschte über ihr Lippen als sie das Auto des Konzertmanagers erkannte, immerhin ein vertrautes Gesicht.

 

Dieser parkte seinen Wagen direkt neben ihren und wuchtete seinen fleischigen Körper aus dem Vehikel, begrüßte die junge Frau heiter. Wo die Anderen seien wollte sie sogleich wissen, immerhin waren sie spät dran. Der Veranstalter beruhigte sie, es läge etwas abseits aber sie würden nach einem kurzen Fußmarsch dort sein.

 

Da aber wurde die Sängerin misstrauisch. Wo wären denn die anderen Autos? Und warum kam er alleine wo ihn sonst mindestens drei Assistenten umgaben? Zumal sie wusste das er jeglichen Fußmarsch hasste und jede Möglichkeit war nahm so etwas zu umgehen.

 

Nat, du bist überspannt” behauptete ihr Gegenüber während seine Finger über seine Oberlippe fuhren. “Vertraust du mir nicht?”

 

Die junge Frau hielt lange inne. Dann ging sie wieder zu ihrem Auto. “Ich rufe die Band an” erklärte sie entschlossen, die ganze Geschichte kam ihr suspekt vor.

 

Plötzlich erhob der Manager seine Stimme und forderte sie auf stehen zu bleiben. Natalie wandte sich ihm zu und blickte auf eine Pistole in seinen Händen. Ohne auf eine Frage zu warten erklärte er das dies die beste Lösung sei. Die Sängerin verstand nicht, also erklärte er es ihr. “Nichts ist bei Künstlern so förderlich für die Karriere wie ihr Tod. Denk nur mal an Falco, Michael Jackson und wie sie alle heißen: Kaum sind sie unter der Erde werden ihre Alben verkauft wie warme Semmeln.” Er näherte sich ihr einen Schritt, die Waffe auf ihren Brustkorb gerichtet.

 

Ein ungeklärter Mord und dein neues Album wird sich besser verkaufen als zu deinen Lebzeiten, völlig egal wessen Songs auf diesem Album sind” er schnaufte. “Denk nicht wir könnten deine Stimme nicht künstlich nachahmen, keiner der blöden Fans wird auch nur den geringsten Zweifel haben.”

 

Natalie schüttelte den Kopf, er konnte das nicht ernst meinen. Er konnte sie nicht ernsthaft wegen so etwas wie Plattenverkäufen einfach erschießen! Doch ihr Manager war anderer Ansicht. Er hatte so etwas noch nie getan, jedoch hatte ihm der Gedanke nach einiger Überlegung mehr und mehr zugesagt. Er konnte vom Presserummel profitieren, bekam internationale Aufmerksamkeit und vor allem musste er die Gewinne nicht einmal mehr teilen. “Es ist nichts persönliches” behauptete er in der Sekunde als die Künstlerin herumwirbelte und zum Auto spurtete.

 

Überrumpelt drückte der Konzertmanager ab, verschätzte sich jedoch gewaltig im Rückstoß und verfehlte sein Opfer. Die Wucht riss ihm die Waffe hoch, sein Handgelenk pochte und er keuchte. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht das Schießen zu üben, in Filmen sah das alles bei weitem einfacher aus. Natalie hatte keine Zeit vergeudet und hatte sich in ihr Auto geflüchtet, drehte panisch am Autoschlüssel und schaffte es den Motor zu starten.

 

Ihr Verfolger wurde panisch, spannte hastig und ungelenk den Hahn und schoss wild hintereinander, der Lauf zuckte flammend in alle Richtungen. Die Sängerin schrie auf als zwei der Kugeln ihr Auto trafen, ein Geschoss zerschoss ihr Rückfenster, das Andere schlug dumpf in den Beifahrersitz ein, sie blieb dabei unverletzt. Sie riss schnell das Lenkrad herum und trat das Gaspedal durch, das Einzige was sie wollte war Abstand zum Schützen.

 

Strauchelnd raste der Wagen über die Landstraße. Natalie schluchzte auf, er hatte sie wirklich umbringen wollen. Immer noch beschleunigend griff sie nach ihrem Handy, sie musste die Polizei informieren, Hilfe rufen.

 

Sie hatte gerade die ersten zwei Ziffern eingegeben als das Auto ihres Managers sie von hinten rammte.

 

Die Sängerin schrie auf, ihr Körper sauste nach vorne, der Gurt schnitt ihr fast die Luft ab, das Handy fiel aus ihre Hand auf den Boden, mühsam versuchte sie die Kontrolle über ihr Vehikel zurückzugewinnen. Dabei warf sie einen Blick in den Rückspiegel und erkannte ihren Verfolger am Lenkrad, sein Gesicht eine Mischung aus Angst, Wahnsinn und Entschlossenheit.

 

Zweimal streifte der Wagen sie an der Stoßstange, und die junge Frau hatte alle Hände voll zu tun das ausbrechende Auto unter Kontrolle zu halten. Auf einmal erkannte sie das der Manager seitlich von ihr aufschloss, seine freie Hand hielt die Pistole wie in einem schlechten Actionfilm aus dem Fenster.

 

In dieser Sekunde riss Natalie das Lenkrad zur Seite und rammte das andere Auto. Der stämmige Mann konnte gerade noch seine Hand zurückziehen als Metal auf Metal prallte und seinen Wagen von der Straße brachte und in den Wald stieß.

 

Die Sängerin rang um Luft, sie hatte ihren Verfolger abgeschüttelt. Doch dann, in voller Fahrt, erkannte sie ihren Irrtum.

 

Das Auto des Veranstalters raste aus dem Dickicht zurück und direkt in ihre Seite, beide Vehikel wurden von der Straße in die Baumreihen geschleudert. Natalie schrie noch einmal als ihre Welt auf dem Kopf stand und Metal kreischte, dann endlich erlöste sie die Besinnungslosigkeit.

 

Sie hatte keinerlei Empfinden wie viel Zeit verstrichen war als sie wieder zu sich kam. Wie durch ein Wunder schien sie unverletzt zu sein und lag neben den Trümmern ihres Wagens auf einer Ansammlung Laub. Verstört rappelte sich Natalie auf, betrachtete mit einer perversem Faszination die Überreste der beiden Autos. Wie zwei eiserne Tiere waren sie in einem letzten Todeskampf ineinander gekrallt, sie konnte unmöglich sagen wo eines Anfing und das Andere Aufhörte. Sie musste wirklich einen Schutzengel gehabt haben.

 

Dann schlug im Baum neben ihr eine Kugel ein.

 

Ungläubig erkannte sie hinter den Wracks eine massige Gestalt die strauchelnd, aber entschlossen auf sie zu humpelte. Natalies Gedanken widersprachen der Situation, er konnte diesen Unfall nicht überlebt haben. Zum Glück waren ihre Füße schneller, sonst hätte sie die zweite Kugel erwischt.

 

Ihr Manager humpelte weiter, er rang um Atem. Er wusste nicht was genau geschehen war, doch er musste diese unselige Geschichte endlich beenden bevor sie ihm entkam. Sein dritter Schuss war vergebens, ein Klicken als Zeichen das er keine Patronen mehr hatte. Während der übergewichtige Mann seine Verfolgung fortsetzte tastete er nach dem Ersatzmagazin, lud es und spähte weiter nach seinem Opfer.

 

Natalie hatte keinerlei Idee mehr von Orientierung, rannte immer weiter zwischen den Bäumen hindurch, stolperte Abhänge hinunter und hielt dabei immer nach ihrem Häscher ausschau.

 

Plötzlich erkannte sie in der Ferne jemanden vor sich. Ein Wanderer auf einer Wiese der scheinbar ein Sonnenbad nahm. Natalie schrie sofort was seine Aufmerksamkeit weckte, augenblicklich setzte der Fremde sich auf.

 

Alles in Ordnung?” Die Sängerin erkannte das der Mann etwa in ihrem Alter war, mit Shirt und Jeans bekleidet und scheinbar überrascht sie anzutreffen.

 

Sofort stürmte die Frau auf ihn ein und überschüttete ihn mit Informationen und Hilfegesuchen, leider ohne eine Atempause dabei zu machen, sodass ihr Redeschwall ziemlich wirr und unzusammenhängend auf den Fremden wirkte.

 

Nun immer hübsch der Reihe nach gute Frau” bat der Fremde. “Wer ist hinter ihnen her? Ein Mörder sagen sie?” Natalie bestätige und sah sich bereits nach ihrem Verfolger um. Der Unbekannte schien besorgt aber noch nicht alarmiert.

 

Wenn sie wollen dann kommen sie mit in meinen Laden, dort können sie ja die Polizei rufen.” Er bemühte sich um einen sachlichen Tonfall, doch man sah ihm den Zweifel an. Natalie war viel zu kraftlos um sich über dieses Misstrauen aufzuregen, der Unfall und die Hetzjagd hatten ihre Reserven angegriffen. Rasch folgte sie dem Mann der sich ihr als Victor vorstellte.

 

Natalie” erklärte sie abgehackt, sie wollte sicher nicht noch über ihr Sängerdasein reden und verzichtete deswegen auf ihren Künstlernamen. Hastig bewegten sie sich eine Steigung hinauf, während sie immer wieder nach dem Manager spähte. Auch musterte sie Victor kurz: Er wirkte fast wie einer ihrer Fans, lässig gekleidet, schulterlange, blonde Haare und dunkle Augen die einen interessanten Kontrast ergaben, der typische Student hätte sie beurteilt, als Ladenbesitzer hätte sie ihn nicht eingeschätzt.

 

Was für einen Laden haben sie hier?” wollte sie wissen, sie konnte sich nicht vorstellen was man hier mitten in der Wildnis für ein Geschäft haben sollte.

 

Es ist eine Bar, ist etwas ab vom Schlag aber Abends ist dort viel los” erklärte er freundlich, hielt dann aber inne, den Blick hinter die Sängerin gerichtet. Natalies Kopf ruckte herum und da sah sie schon die massige Gestalt des Managers unten am Fuß der Steigung. “Großer Gott, das ist er!”

 

Ihr Begleiter wurde sichtlich angespannter, bemühte sich aber um Ruhe. Noch hatte ihr Verfolger nicht das Feuer eröffnet, was scheinbar nur an der Entfernung lag. “Kommen sie, wir sind gleich da!”

 

Das nahm Natalie als Ansporn und mobilisierte nochmals all ihre restlichen Kräfte. Victor hatte nicht gelogen. Wie aus dem Boden gewachsen stand auf einer kahlen Lichtung eine große Kneipe. SEDAH RED prangte in Neonfarben über der Tür. Wieder so eine pseudocoole Bar nach amerikanischer Art schoss es ihr durch den Kopf, doch schnell gewann die Angst wieder Oberhand über ihr Denken.

 

Schließen sie auf, beeilen sie sich!”

Victor tat wie geheißen, dann stürmten sie in das Gebäude, er verriegelte die Tür sofort hinter ihnen. Natalie beugte sich atemlos vor, die Hände auf ihren Knieen gestützt, sie fühlte sich wie nach einem Marathon. “Ich denke nicht das er sich hierher traut, wahrscheinlich ist er schon weg” mutmaßte ihr Begleiter und ging langsam hinter den Tresen. “Wollen sie etwas trinken?”

Natalie glaubte zuerst sich verhört zu haben. “Zur Beruhigung” beschwichtigte er sie, doch die Künstlerin verneinte, fragte statt dessen nach einer Waffe oder einem Telefon.

 

Nein also ich habe zwar einen Knüppel für freche Gäste aber ansonsten...” er lächelte entschuldigend. “Aber mein Telefon ist hinten im Zimmer, kommen sie wir...”

 

Der Satz blieb unbeendet, denn in dieser Sekunde schossen zwei Kugeln durch das Türschloss. Natalie schrie auf doch da stand der Manager schon im Raum, sein Anblick war verstörend. Der feine Anzug verdreckt, der Kopf eine rote Tomate, das Gesicht vor Anstrengung zu einer scheußlichen Grimasse verzerrt.

 

Victor wollte hinter dem Tresen hervorkommen doch es war zu spät. Mit zitternder Hand eröffnete der Veranstalter das Feuer und der Brustkorb des jungen Mannes bekam zwei Volltreffer ab. Wie in Trance sah die Sängerin zu wie sein Körper eine bizarre Drehung machte und hinter die Theke stürzte. Dann starrte sie in die Augen des Mörders der den Lauf nun auf sie richtete.

 

Sie hatte erwartet das er noch etwas sagen würde, wie in einem Film wenn der Bösewicht noch ein Abschiedswort spricht bevor er abdrückte. Doch

das hier war kein Film. Sie sah die Flamme aus der Pistole und hörte den Schuss.

 

Aber sie spürte keinen Treffer. Die Augen des Veranstalters wurden groß, drei weitere Schüsse bellten aus der Waffe, doch sie zeigten keinerlei Wirkung!

 

Das ist unmöglich, ich habe dich getroffen!” Die Stimme des feisten Mannes war schrill und schleppend, er röchelte. Auch Natalie begriff die Situation nicht. Dann beobachteten Beide verständnislos wie sich jemand hinter der Theke erhob. “Das hat gekitzelt” erklärte Victor, sein Brustkorb hatte keinerlei Kratzer! Dem Manager entwich nur noch ein japsen während Natalies Knie weich wurden, nur mit Not konnte sie sich auf den Beinen halten. War sie wahnsinnig geworden?

 

Wie zum Trotz und aus Verwirrung schoss der Manager seine letzten Kugeln auf den Auferstandenen, doch diesmal hatten sie auch bei ihm keinerlei Effekt. Der junge Mann schien sogar leicht genervt und hob gebieterisch einen Finger. “Du hast genug Ärger verursacht.” Wie durch Magie schloss sich die Tür hinter dem Veranstalter, das zuvor aufgeschossene Schloss war wieder repariert.

 

Natalie schluckte und sah sich um. Sie bemerkte Schatten umher huschen, und auf einmal, als wären sie schon immer da gewesen, hockten an jedem Tisch mehrere Männer und Frauen die sie wie eine Art einstudierte Nummer beobachteten. Sie brauchte all ihre Fassung nicht los zu brüllen, ihr Manager hatte diese nicht mehr. Jaulend wirbelte er seinen massigen Körper herum und hämmerte gegen die Tür. Er war am Ende all seiner Kräfte und wollte nur noch Weg von diesem Ort.

 

Victor schien ihm diesen Wunsch nicht gewähren zu wollen. “Ende deines Auftritts” urteilte er und schnippte mit dem Finger. Wie von unsichtbaren Händen gepackt fiel der Manager schreiend auf den Bauch, seine Füße hoben sich in die Luft. Natalie sah in Trance zu wie der dicke Kerl von einer unsichtbaren Kraft über den Boden gerissen wurde und in einen Nebenraum gezerrt wurde. Flammen schlugen plötzlich aus dem Türrahmen und die Schreie des Mannes hallten ihr noch einige Sekunden in den Ohren, bis die Anwesenden plötzlich zu applaudieren begannen.

Verstört blickte sie auf Victor. “Ist das ein Traum?” Endlich hatte sie ihre Stimme wiedergefunden.

 

Ich befürchte dem ist nicht so, hast du denn eine Ahnung was passiert ist?” Der Mann trat langsam hinter dem Tresen hervor. Natalie verneinte. Dann... sie wusste nicht wie, hatte sie eine Eingebung. “Der Autounfall?”

 

Ihr gegenüber bejahte. “Er und du haben das nicht überlebt.” Die Künstlerin versuchte das zu verarbeiten. “Und das hier...” sie blickte über die Anwesenden die immer noch schweigend an ihren Tischen sassen. Victor schmunzelte. “Du hast doch den Namen SEDAH RED gelesen...”

 

Sie nickte, und dann erkannte sie es. Rückwärts bedeutete das...

 

Victor bekam plötzlich Hörner. Panisch wich die Sängerin zurück, doch der Teufel wollte ihr nichts tun. “Hab keine Angst, du wirst nicht so einfach weggeschafft” erklärte er ihr. “Im Gegenteil, wir sind sehr glücklich dich endlich hier zu haben.” Abermals gab es ein Fingerschnippen, die gesamte hintere Wand der Kneipe schwang zur Seite und gab den Blick auf eine Bühne frei.

 

Spiel! Spiel!” brüllten die Besucher plötzlich. Natalie schrie, die Menschen hatten sich verwandelt. Wo eben noch Männer und Frauen gesessen hatten hockten nun gehörnte Kreaturen, bizarre Gestalten in allen erdenklichen Farben und Formen an den Tischen, Eine absurder als die Andere. Und alle starrten sie auffordernd an. Die Sängerin taumelte zurück, direkt in Victors Arme. Der junge Mann hatte sich nun in einen purpurfarbenen Teufel verwandelt, seine dunklen Augen musterten sie belustigt. “Was ist los? Du hörst doch dein Publikum”

 

Mein was?” Natalie traute ihren Ohren nicht.

 

Wir sind hier unten alle große Fans deiner Lieder” bestätigte der Teufel. “Selbst der Boss hört deine Songs!” Mit diesen Worten zog er sie auf die Bühne und drückte ihr eine Gitarre in die Hände. Sie war blutrot und mit schwarzen Saiten bespannt.

 

Natalie war kurz davor zu schreien und zu versuchen zu fliehen, bis sie die Zurufe der Ungeheuer vernahm.

 

Nat spiel bitte was von deinen neuen Songs!”

 

Nicht immer dasselbe! Wir wollen neue Lieder!”

 

Die Sängerin war verblüfft und so erstaunt das sie ihre Angst vergaß und zum ersten Mal zu den Kreaturen sprach. “Meint ihr das ernst? Nicht sie alten Lieder?”

 

Ein Dämon mit Hundeschädel verneinte sofort. “Hier bei uns ist Abwechslung gefragt! Wir wollen immer etwas Neues!”

 

Mehr Ansporn brauchte die Sängerin nicht. Ohne sich Gedanken zu machen umfasste sie die Gitarre professioneller, dann blickte sie hinter sich. Ihre neue Band bestand aus alptraumhaften Kreaturen, aber jeder hatte das passende Instrument. Der Drummer hatte grüne Haut und mehr Augen als Natalie zählen konnte, trotzdem fixierte sie ihn streng. “Nun fang an, oder soll ich ewig warten?”

 

Und so begann die erste Show von vielen für Natalie. Seltsamerweise wurde sie als Tote glücklicher als zu Lebzeiten, denn was gab es besseres als ein höllisch gutes Publikum?

 

ENDE

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