Episode 8

Mitternachtsdate

oder

Wer spielt in diesem Alter noch mit Puppen?

Ein neuer Tag an der Schurkenschule war angebrochen. Allerlei junge Bösewichte, angehende Erzschurken und Halunken in Ausbildung strömten in das riesige Lerninstitut. Yu natürlich auch, doch er war nicht bester Stimmung. “Weißt du was wirklich schurkisch ist?” fragte er plötzlich Ami die neben ihm herlief. Das Mädchen überlegte.

 

“Das wir im Biologie Unterricht fast vom Klassenprojekt gefressen wurden?”

“Nein”

“Das die Fluraufsicht wieder Schrotflinten verwendet?”

“Nein”

“Vielleicht Pit’s Tischmanieren?”

 

“Nein...ich meine ja, das auch” räumte der Junge ein. “Aber ich meinte eher an solch einem schönen Tag in die Schule zu müssen”

 

Ami war ganz seiner Meinung. “Versuche es positiv zu sehen: An solchen Tagen ist es wenigstens ruhig”

 

Yu lächelte schwach. “Ich habe auch ein gutes Gefühl...oh” ihm fiel etwas ein. “Ich muss noch meinen Hefter aus dem Spind holen, geh ruhig schon mal vor!”

 

Ami sah ihm zufrieden hinterher.

 

Manchmal machte Yu sich zu viele Sorgen.  

 

-

 

In diesem Augenblick plante jemand das Ende von Yu Yushiki.

Bone wollte eine Entscheidung. Wütend ballte er seine Faust. Dieser elende Apo! Es war keine Woche her seitdem sein letzter Angriff schiefgelaufen war. Sein Plan war so brillant gewesen! Schritt eins: Apo angreifen. Schritt Zwei: Ihn überwältigen. Schritt Drei: Ihn vernichten! In der Praxis war er leider schon bei Schritt zwei gescheitert als Iron Maiden ihn abfing und ohne Mühe in eine Wand schleuderte.

 

Der Junge in der Skelettrüstung grinste. Diesmal hatte er beschlossen cleverer vorzugehen. Er würde Yu einfach nachts in die Schule locken und ohne Einmischungen von außerhalb auslöschen. Er besah sich nochmals seinen Brief an sein Opfer:

 

Liebster Feind,

ich will dich dort Treffen wo es dir besonders wehtut.
Die Finger kribbeln in meiner Vorfreude dein Herz aus der Brust zu reißen.
Um Mitternacht in der Schule, die große Sporthalle.

Dein innigster Gegenspieler
    
Zufrieden legte er den Brief in einen Umschlag, er würde ihn Apo einfach ins Fach stecken und...

 

...dann prallte er in eine Wand aus Fleisch. Pit der Menschenfresser musterte Bone überrascht, denn der Junge war halb in seinem Bauch versunken.

 

“Alles in Ordnung?”     

 

Schmatzend löste sich der Junge in der Skelettrüstung und besah sich die Schererei. “Verdammt, ich bin voller Blut!” stelle er fest. Pit grinste und entblößte dabei seine Haifischzähne. “Nein das ist Ketchup, es gab Pommes in der Kantine.” wütend stampfte Bone am ketchupbeschmierten Hünen vorbei. “Dämlicher Fettklops” ärgerlich besah er sich den Umschlag. Dieser war deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden und hatte eine rötliche Schicht. Er seufzte, er hatte keinen Nerv alles nochmal zu schreiben. Ein schmutziger Drohbrief musste reichen.

 

Dank intensiver Beobachtungen wusste er das Apo alias Yu den Spind Nummer 669 hatte. “Dann bis Mitternacht Knirps” erklärte er als er den Umschlag ins Fach schmiss.

 

-

 

Nicht einmal fünf Minuten später öffnete der Besitzer den Spind. Moth, das Mädchen mit einer Vorliebe für Insekten besah sich den rosaroten Umschlag in ihrem Fach. Verdutzt sah sie erst nach rechts, dann nach links. Es war niemand zu sehen. Dann entnahm sie den Brief und öffnete ihn.

 

“Total verschmiert” kommentierte sie laut, doch trotz Flecken konnte sie den gröbsten Inhalt des Briefes noch entziffern.


Liebste....

ich will dich .... Treffen wo es .... besonders.....
Die .... kribbeln ....  meiner ...freude ...Herz......
Um Mitternacht in der Schule, die große Sporthalle....

.... innigst...

 

Mehrfach las sie die Zeilen. War das eine Art Scherz? Ein übler Trick? Oder...? Drei Spinde neben ihrem stand plötzlich Apo und entnahm einen Ordner aus seinem Fach. Kurz trafen sich ihre Blicke worauf der Junge ihr höflich zunickte und weiterging.

Hatte er gelächelt?

 

Moth überlegte, hatte er ihr nicht sogar zugezwinkert?   

 

Das Mädchen schloss die Augen und wiederholte im Geiste die Szene die sich keine zwei Sekunden vorher abgespielt hatte: Yu (er war ein gutes Stück größer und seine Augen funkelten schurkisch cool) trat an seinen Spind, öffnete ihn lässig und musterte sie eiskalt, aber mit feurigen Augen. Sie sah es ganz klar vor sich: Er hatte ihr zugezwinkert, gegrinst und die Hand an seine Lippen gedrückt. Hatte er nicht sogar “Heute Nacht” gehaucht? Natürlich! Sie hatte es ganz deutlich gehört!

Sie besah sich den Brief. (Einige ihrer Insekten machten sich schon heißhungrig über die Kleckse her) und starrte dann Apo nach der schon auf dem Weg zur Klasse war. Mit spürbaren Herzklopfen drückte sie das Papier an sich. “EIN DATE!” während sie ihre Spindtür zuschlug. Einen Moment blinzelte sie. Wieder hatte sich eine der Zahlen gelockert. Vorsichtig drehte sie die 9 wieder hoch zu einer 6.

 

Sie würde das beizeiten reparieren lassen.

 

-

 

“Bitte setzt euch nun” bat Professor Wicked schmunzelnd. Mit zusammengekniffenen Augen überprüfte er seine Unterlagen. “Ich möchte euch alle darauf aufmerksam machen das wir morgen einen Überraschungstest schreiben.” Alle Schüler, einschließlich Yu und Ami warfen sich einander unsichere Blicke zu. Shadow hob ihre Hand. “Herr Professor, wieso kündigen sie uns das an?”  
 
Die Frage war berechtigt. Es gab öfters Überraschungstests an der Schurkenschule. Diese bestanden aber meistens aus den Fragen “Kannst du dem fliegendem Messer ausweichen” oder dem beliebten “Rate unter welchem Stuhl die Landmine versteckt ist” Spiel. Vor allem wurden diese Überraschungen nie angekündigt. Der Lehrer schmunzelte auf seine unnachahmliche Weise. “Das tue ich aus einem einfachen Grund” er legte den Kopf leicht schief. “Keiner der hier Anwesenden hat Chancen diesen Test zu bestehen!”

 

Nun brach unruhiges Gemurmel aus. Shadow meldete sich abermals zu Wort . “Aber was sollen wir dann tun?”

 

“Durchfallen” war die heitere Antwort von Professor Wicked. “Ich möchte aber auch ausdrücklich betonen das ich die Ergebnisse nicht in meinem Büro aufbewahre.”

 

Stirnrunzeln breitete sich aus.

 

“Ebenso will ich nichts dazu sagen das in dieser Nacht das Wachpersonal der Schule frei hat...ich hoffe vor allem der Klassensprecher hat diese Informationen NICHT gehört” vielsagend warf er seine bebrillten Augen auf Yu, der sichtlich blass wurde. “Damit ist denke ich alles gesagt, der Unterricht ist für heute beendet!” mit dieser Aussage verließ der Lehrer das Klassenzimmer, zurück blieben mehrere verdutzte Gesichter. Dann stürmten alle auf Yu ein.

 

“He das war eine klare Aufforderung Apo!” bemerkte Claptrap ernst.

“Du bist da gefragt Klassensprecher” blubberte Mind.

Die restlichen Jungschurken nickte zustimmend.

“Als Klassensprecher ist es sozusagen deine Pflicht” setzte Angry an.

“Diesen Test für deine Mitschüler unter Einsatz deines Lebens” fuhrt Nasty fort.

 

“Und deiner Gesundheit zu besorgen!” schloss Scary das Trio ab.

Cheese der Harlekin zeigte mit einem Grinsen alle seine Zähne. “Nachts in der Schule herum zu streifen, klingt lustig! Tehehe!”
Yu hingegen wirkte gar nicht begeistert. Dann aber erhob sich Ami von ihrem Sitzplatz. “Sagt mal habt ihr noch alle? Das ist gegen die Schulverordnung! Und wieso sollte Ausgerechnet Apo das machen müssen?!”

 

“Du weißt aber was durchfallen in einem Test bedeutet oder?” fragte Shadow sie. “Das hat auf dieser Schule meistens was mit einer Falltür und spitzen Stacheln zu tun die...”


“Ich mache es” unterbrach sie plötzlich eine kleine, aber ernste Stimme. Alle blickten Yu an der die ganze Zeit still auf seinem Platz gesessen hatte. “Aber Yu ähm ich meine Apo!” setzte Ami erschrocken an. Der Junge hob den Kopf, sein Blick zeigte Entschlossenheit. “Sie haben Recht: ich bin der Klassensprecher, und Professor Wicked hat MICH herausgefordert. Warum weiß ich nicht, aber es steht fest, ich werde diese Testergebnisse bekommen! Für die Klasse!”


Sofort begannen ihn seine Schulkameraden und teilzeit Erzfeinde zu beglückwünschen und auf die Schultern zu klopfen.

 

“Ein Mann ein Wort, sehr beeindruckend Apo” erklärte Spike müde lächelnd.

 

“Ehe, das nenne ich Todesverachtend” stimmte der Untote Necro zu.

 

“Solltest du dabei umkommen bringe ich dir jede Woche frische Blumen ans Grab Klassensprecher” versprach Shadow ihm.

“Ich werde nicht versagen” erklärte der kleine Junge ungerührt kühl. “Ganz alleine in der Schule, das ist kein Problem!” Ami hob eine Augenbraue und verzog leicht misstrauisch das Gesicht. “Soll ich nicht vielleicht mitkommen?”

 

Yu brach glücklich mit Tränen in den Augenwinkeln zusammen. “Danke das wäre wirklich nett!” fiepste der eben noch so abgebrühte Kerl erleichtert. Ami grinste leicht bedröppelt. Yu war eben doch Yu.

 

Niemand bemerkte indessen das nur Zwei Schüler sitzen geblieben waren. Moth lächelte. Zärtlich streichelte sie den Umschlag den sie auf ihrem Schoß hatte. Sie bewunderte Apo: So zu tun als würde man es wegen der Schulklasse machen nur um in Wirklichkeit seinen eigenen, privaten Interessen nachzugehen...wie durchtrieben!

 

Auch Bone musste dem kleinen Apo Anerkennung zollen. Er wusste um die wahren Absichten des Jungen. Natürlich scherte ihn die Klasse kein Stück, doch war er Tollkühn genug diese Gelegenheit für ein entscheidendes Duell mit ihm zu nutzen. Der Junge in der Skelettrüstung war zufrieden. So heuchlerisch zu sein nur um einen privaten Zweikampf auszufechten...wirklich anerkennungswürdig!

 

-

 

Professor Wicked hatte Indessen sein Zimmer erreicht. Auf einmal bemerkte er wie sein Handy klingelte. “Wicked hier” meldete er sich heiter während er den Raum betrat.

 

“Du hast es ihnen mitgeteilt?” Frau Professor Toxic’s Stimme klang Neugierig.

 

“Sicher, das wird sicher höchst Interessant” erwiderte er während er langsam an sein Bürofenster schritt und das Treiben der Schüler auf dem Schulhof beobachtete.

 

“Meinst du sie haben einen Verdacht?”

 

Wicked schmunzelte mit zusammengekniffenen Augen, seine Brillengläser spiegelten sich im Licht und machten aus seinem Gesicht eine bizarre Fratze. “Ich befürchte sie haben keine Ahnung was auf sie zukommt.” gestand er unbekümmert. “Wir sprechen uns nachher” verabschiedete sich seine Kollegin. Nachdenklich steckte der Lehrer für Niedertracht das Handy in seinen Laborkittel. “Hmm” murmelte er. “Ich frage mich ob der Sohn des Master of Darkness deinem Unheil gewachsen ist.”

Er drehte den Kopf zu seinem Schreibtisch an dem jemand sass. “Was denkst du?”

 

Die Gestalt rührte sich nicht, dafür aber etwas das auf ihrem Schoß hockte. Ein kleines Gesicht erwiderte den Blick des Professors.

 

“Ich garantiere ihnen eine Nacht die niemand so schnell vergessen wird Professor!”      

         
 -

 

Mitternacht. Der große Schulkomplex stand verlassen da. Üblicherweise Patrouillierten hier mehrere schlagkräftige Wachleute die dafür zu sorgen hatten das sich niemand nachts in die Schule schlich. An diesem Tag  jedoch sah man keine Menschenseele auf dem Gelände, einzig einige Eulen riefen in die Dunkelheit.

 

Yu schluckte. “Sieht doch recht friedlich aus.” Ami, in ihrer Rüstung neben ihm stampfend musterte das Szenario weitaus misstrauischer. “Ich befürchte das wird ein klassischer Fall von schurkischem Hinterhalt sein” urteilte sie während ihren Helm ausfuhr und ihren Bildschirm musterte. “RAL, kannst du was erkennen?” Die Rüstung blinkte einige Sekunden. “Es sind keine magischen oder technischen Anomalien auszumachen” teilte das Programm höflich mit.  Das Mädchen ließ  den Helm wieder einfahren, ein “Hmm” entwich ihr. “Also..."


“Die Sache gefällt dir nicht?” unterbrach Yu sie sofort. “Das wolltest du doch sagen oder? Das wäre jetzt der typische Heldenspruch!”     

 

Ami blickte ihren Mitbewohner ärgerlich an und verschränkte die Arme vor der Brust. “Vielleicht” erwiderte sie trotzig.
            
“Mir gefällt es hingegen sehr” erklärte eine andere Stimme. Beide wirbelten erschrocken herum und erkannten ein Mädchen im Cowboyoutfit.

 

Rattler.

 

“Was suchst du denn hier?” wollte der kleine Junge wissen. Die Kopfgeldjägerin stand lässig an einem Baum gelehnt, kaute auf einem Strohhalm herum. “Ach ich dachte mir einfach du Greenhorn und dein kleiner Leibwächter könnten noch etwas...” Blitzschnell hatte das Mädchen ihre Hände vorgeschnellt in denen plötzlich ihre Colts rotierten. “Feuerkraft gebrauchen.” Ein vielsagendes Grinsen zeichnete sich unter dem Hut ab. Langsam senkte sie ihre Arme, die Schusswaffen glitten in die Halter zurück. “Außerdem will ich nicht durchfallen nur weil ihr etwas vergeigt” fügte sie hinzu.

 

“Das ist wirklich Hilfsbereit” bemerkte Ami.

 

“Danke sehr”

 

“Das war kein Kompliment sondern eine mißtrauische Beobachtung” erklärte sie.

 

Die Kopfgeldjägerin hob ihre Schultern und winkelte die Handflächen nach Oben. “Immerhin sind wir Klassenkameraden oder? Was sagt du Greenhorn?” Beide Mädchen blickten zu Yu dem diese Aufmerksamkeit überhaupt nicht recht war. “Also warum sehen wir nicht nach was drinnen los ist? Vielleicht haben wir ja auch Glück und das alles ist halb so wild.”

 

Ami und Rattler wandten demonstrativ die Köpfe ab und marschierten stur auf das Schulgelände. Yu folgte ihnen seufzend. “Das fängt ja schon gut an...”

 

-

 

Die Sporthalle der Schule war in das übernatürliche Licht des Mondes getaucht. Die riesige Halle wirkte jetzt eher wie ein Tanzsaal. Moth sah  durch die Fenster auf den großen Planeten. Sie hatte den ganzen Abend überlegt was sie anziehen sollte. Schlussendlich hatte sich für ihre übliche Robe entschieden, doch sie war unsicher. Was wenn Yu einen schurkischen Maskenball geplant hatte? Oder wenn er erst schnell die Erde mit ihr Erobern wollte bevor sie anfingen zu flirten? Sie wollte dafür ja nicht unpassend gekleidet sein!

 

“Ich bin da” teilte plötzlich eine Gestalt mit. Die Insektenliebhaberin drehte sich so überrascht rum das mehrere Nachtfalter aus ihrer Frisur entwichen und herumflogen. “Bist du es...?” hauchte sie, spürte dabei wie ihre Wangen erröteten. Yu trat ins Licht, er trug einen dunklen Smoking mit einer Rose am Revers. “Was für eine herrlich düstere Nacht” erklärte der kleine Kerl böse lächelnd und hob auffordernd einen Arm. Moth wich seinem Blick aus. “Ich habe deinen Brief bekommen” erklärte sie überflüssigerweise während ihr Herzschlag immer lauter wurde.

 

In einem Wimpernschlag hatte Yu sie umfasst, so das Moth in seinem Arm hing. “A-aber Apo...” hauchte sie überrascht. In bester Schurkenmanier legte er ihr die Finger auf die Lippen, schüttelte den Kopf. “Worte sind doch überflüssig Geliebte” ereiferte er sich. “Wie Insekten verstehen wir uns doch längst per Gedanken, was braucht es da noch Worte?”

 

Moth nickte schüchtern während er sich langsam über sie beugte, die Lippen gespitzt...

 

Dann blinzelte das Mädchen. Die Halle war leer, sie hockte an die Wand gelehnt und die Lippen küssten die Luft. “ARGH” jaulte sie, sprang auf und schüttelte sich wütend. “Diese Tagträume kommen immer zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt!”

 

“Ich bin da” teilte (abermals) eine Gestalt mit. Moth verzog misstrauisch das Gesicht, war sie schon wieder am Träumen? Vorsichtig kniff sie sich in den Arm, nein das war Real! Errötend senkte sie den Kopf. “Ich habe deinen Brief bekommen” erklärte sie beherrscht. Vorsichtig trat der Junge aus dem Schatten ins Mondlicht. Ein Armlaser war auf Moth gerichtet. Das Mädchen erkannte schweigend dessen Besitzer. Bone musterte sie. Eine kleine Weile herrschte Stille über der Sporthalle.

 

Dann fanden sie Beide wieder zu Stimme.

 

“WAS MACHST DU DENN HIER?!” riefen sie synchron.

 

“Was ich hier mache?” knurrte der Junge in der Knochenrüstung wütend. “Ich bin hier verabredet! Dieser miese Apo, mich zu versetzen ist selbst für einen Schurken diabolisch!” Misstrauisch fixierte er das Mädchen. “Die Frage ist was DU hier tust!” Moth wurde ärgerlich. Sie hatte einen schönen Abend erhofft und kein Gespräch mit einem Klappergestell. “ICH habe hier ein Date” stellte sie fest und zückte demonstrativ ihre Einladung. “Ich würde an deiner Stelle hier schnell verschwinden, denn wenn meine Verabredung kommt und dich hier sieht wird es dir schlecht ergehen!”

 

Bone erkannte plötzlich den Schrieb in der Hand des Mädchens. “Das ist doch....MEIN BRIEF!” Moth blieb der Mund offen stehen. “DU wolltest ein Date mit mir?! Das ist doch lächerlich!”

 

“Was?! Date? !Das war eine Herausforderung auf Leben und Tod!” erwiderte der Junge, hielt dann aber eine Sekunde inne. “Wieso lächerlich?” Während sie sich so lautstark unterhielten hatten sie Gesellschaft bekommen. Die Person stand auf eine der Tribünen und beobachtete das Geschehen mit wachsender Belustigung. Langsam stand sie auf. “Ha ha...wen haben wir denn da?” Moth und Bone hielten kurz inne und erkannten einen Jungen. Er war ganz in schwarz gekleidet, seine Gesichtszüge wirkten etwas unnatürlich und er flößte alles andere als vertrauen ein. “Ihr fragt euch sicher wer ich bin” erklärte der Fremde beunruhigend düster. Seine Statur war wohl normal, auch wenn man unter seinem Nachtschwarzen Umhang nicht viel erkannte. Vorsichtig, sehr ruckartig hob er die Hand. In seinen Fingern hielt er einen glänzenden Gegenstand.

 

Ein Rasiermesser.

 

“Meine Freunde nennen mich Jack the Ripper...wenn ich Freunde hätte versteht sich!” erklärte die Figur dunkel und höhnisch.

“Lächerlich? Na welches Mädchen würde sich schon mit einem Schmalspurskelett wie dir Treffen wollen?” nahm Moth den Faden wieder auf.

 

“Schmalspurskelett? Ich bin Bone, der Schrecken der Schule!” Leicht bedröppelt musterte der Ignorierte die beiden Streithähne. “HE! Das hier ist ein Bedrohliches Auftreten! Wundert ihr euch nicht das ein Kerl mit Rasiermesser hier herumlungert?” wollte er gekränkt wissen.

 

“Schrecken der Schule?” Moth und Bone waren weiter mit sich beschäftigt, während jener der sich Jack nannte zusammenbrach. “IHR SOLLT MICH GEFÄLLIGST BEACHTEN!” forderte er während er sich wieder aufrappelte. Endlich drehten sich die beiden Schüler wieder zu ihm herum. “Beachtung?” hinterfragte Bone ruhig. Bevor Jack etwas sagen konnte hatte der Junge in der Knochenrüstung seinen Laserarm auf ihn gerichtet. “Kannst du haben.” Ohne ein weiteres Wort schoss Bone dem Fremden ins Gesicht, dieser fiel lautlos nach hinten. “Wo waren wir?” fragte er Moth. Die Insektenliebhaberin nahm die Unterhaltung wieder auf als wäre nichts gewesen. “Das ich kein Interesse an dir habe!”

“DAS SOLLTE KEIN DATE SEIN!” jaulte der Junge auf. Auf einmal explodierte die Tribüne worauf beide Schüler von den Füßen geschleudert und an die Wand gestoßen wurden. “Args, was war das?” Moth und Bone identifizierten die Gestalt die vor ihnen stand. Der angebliche Jack the Ripper blickte wütend drein, auf seiner Stirn prangte das rauchende Einschussloch des Lasers. “Ich glaube ich habe mich unklar Ausgedrückt!” gestand er als er seine Rasiermesser hochhielt. “Ich bin nicht zum reden hier!”

 

-

 

“Bisher hatte wir doch Glück” bemerkte Ami zufrieden. Mit den eingebauten Lampen an ihrem Helm leuchtete sie Rattler und Yu den Weg durch die dunklen Korridore des Schulgebäudes. “Glück?” hinterfragte Rattler ihre Begleiterin. Die Kopfgeldjägerin kaute gelangweilt auf ihrem Strohhalm. “Das hier ist nur entsetzlich langweilig” behauptete sie. “Keine Fallgruben, keine Ungeheuer die man auf uns hetzt... wenn das alles war dann habe ich meine Nacht umsonst geopfert.”

 

“Vielleicht ist das Professor Wickeds Plan: Er bringt uns um den Schlaf so das wir morgen müde und gereizt sind!” überlegte Yu hoffnungsvoll.

 

Die Mädchen teilten diese Optimismus nicht. “Unter einer Niederträchtigen Schurkerei stelle ich mir irgendwie etwas größeres vor” gab Ami zu.

 

“Und ich bin eh meistens gereizt” fügte Rattler an.

Das Trio bog in den nächsten Gang ein. Wicked’s Büro  lag ganz hinten am Flurende. Yu griff schon nach der Türklinke als Ami ihn zurückhielt. “Warte!”


“Was denn?”


Ami musterte ihn leicht tadelnd. “Wir wollen in das Büro eines Mannes eindringen der über Niedertracht UNTERRICHTET und das ohne den Türknauf zu überprüfen?”

 

Yu konnte nicht ohnehin zuzugeben das dieser Gedankengang etwas für sich hatte. Ami scannte mit ihrer Rüstung die Tür. “RAL, Gifte oder Sprengsätze zu erkennen?” Das Programm verneinte nach Analyse. “Komisch, das wirkt alles zu einfach” kommentierte die Heldin Undercover.

 

“Was hast du gegen einfach?” harkte Yu nach. “Es wäre mal schön wenn nicht dauernd etwas riesiges erscheint um uns zu fressen oder zu zerhacken oder zu zerstückeln!” Das Mädchen machte eine abschmetternde Handbewegung. “Wir sollten uns daran machen die Tür zu knacken” beschloss sie und hob ihre Hand deren Rüstungsteile ein reges Eigenleben entwickelten. Yu beobachtete wie aus der Fingerspitze eine Art Dietrich ausfuhr. “Gibt es eigentlich etwas das deine Rüstung nicht hat?”

 

“Ich konnte noch keine Nagelschere einbauen” erwiderte das Mädchen bedauernd.

 

“Brauchst dich nicht bemühen kleine, ich hab den Schlüssel” unterbrach Rattler die Beiden unvermittelt. Ami alias Iron Maiden musterte sie verstört. “DU hast den Schlüssel zu Professor Wickeds Büro?” Die Kopfgeldjägerin lächelte untere ihrem Coybowhut. “Sowas ähnliches” erklärte sie, und hob demonstrativ einen ihrer Colts. “Damit geht es weitaus schneller als auf deine Art!”

 

“Du willst das Schloss aufschießen? Das ist Sachbeschädigung!”
“Ach wirklich? Unter diesen Umständen...ÄNDERT SICH NICHTS!”

 

Yu hatte indessen etwas herausgefunden und bemühte sich die Mädchen auf sich aufmerksam zu machen.

 

“Ähm Ami...”

 

“Du kannst doch nicht immer wild um dich schießen wenn es ein Hindernis gibt!”

 

“Rattler? Hallo?”

 

“Warum nicht? Durchlöcherte Hindernisse sind bei weitem Einfacher zu überwinden!”

 

“HEY!!!”

 

Yu, etwas errötend wegen seines Geschreis, drückte demonstrativ die Klinke herunter. Die Tür war offen. Die Mädchen wechselten kurz Blicke miteinander. “Wäre auch auf meine Art gegangen” behaupteten sie gleichzeitig. Dann traten sie ein, betrachteten den großen Schreibtisch. Fein säuberlich war darauf ein Bündel Papiere abgelegt. “Testergebnisse” war dick mit rotem Filzstift darauf geschrieben.

 

“Okay, jetzt ist es DEFINITIV zu einfach” behauptete Ami während sie das Bündel Papier in ihre Hand nahm. “Das kann nur ein Irrtum sein! Vielleicht sind die Ergebnisse Falsch oder die Tinte ist hochgiftig oder...” Yu unterbrach die leicht verärgerte Heldin. “Oder du hast die Situation überschätzt. Das war sicher eine Mutprobe wo es eher darum ging sich zu überwinden, sozusagen dem Unbekannten entgegenzutreten.“ Der kleine Kerl trat wieder auf den Flur. “In etwa wie ein eine leere Höhle zu gehen!”

Rattler und Ami starren gebannt über seinen Kopf. Yu spürte es. Er schluckte.

 

“Da ist jetzt irgendwas hinter mir oder?”

 

Die Mädchen nickten. “Wir haben gerade den Höhlenbär geweckt Greenhorn.”


Er drehte sich herum. Ein Gestalt stand wie aus dem Boden gewachsen im Flur. Sie trug einen langen Umhang und einem sehr mittelalterlich wirkenden Helm. Seine Züge waren seltsam verzerrt, doch Yu erkannte ein grimmiges lächeln.

 

“Wenn ich mich vorstellen darf: Ich bin Dschingis Kahn” der angebliche Feldherr zog einen langen Krummsäbel. “Ihr kommt hier nicht mehr lebend heraus!”

 

-

 

Während Yu und seine Begleiterinnen sich mit einem mongolischen Krieger auseinander setzen mussten waren Moth und Bone mit ihrem persönlichen Gegner beschäftigt. Der Kerl der sich selbst Jack the Ripper nannte wirbelte scheinbar ohne den Boden zu berühren auf die Beiden zu, sein Rasiermesser dabei tödlich scharf durch die Luft schneidend.

 

Bone und auch Moth wichen diesem Angriff mit etwas Mühe aus, doch nun spürten sie das sie ihren Gegner unterschätzt hatten. Der Junge in der Skelettrüstung schoss abermals mit seinem Armlaser. Der rötliche Strahl durchbohrte das Ziel an der Brust, selbst der Umhang seines Gegners fing Feuer. Es war alles in allem ein verheerender, wenn nicht sogar tödlicher Angriff. Dummerweise zeigte er keine Wirkung, außer das Bone’s Kontrahent abfällig grinste. “Deine blöde Lichtpistole kannst du wegstecken, die bringt es hier nicht” kommentierte er höhnisch.  

Bone war außer sich vor Zorn. “Was bist du? Ein Geist?”

 

“Es brennt, also hat es Materie.” kombinierte Moth. Der angebliche Ripper hatte seinen brennenden Umhang abgeworfen, seine Kleidung darunter war neben den Einschussloch des Lasers fast unversehrt. “So kluge Kinder” bemerkte er als seine Finger mit der Waffe spielten. “Doch euer Wissen könnt ihr mit in die nächste Welt nehmen, ich zeige keine Gnade mit euch!” Die Angesprochenen zuckten mit den Schultern. In einer Schurkenschule war Gnade eine Seltenheit wie ein Schneesturm im Hochsommer, warum also sollte man mit sowas rechnen? “Hat dein Angriff einen bestimmten Grund?” wollte Moth eher aus Höflichkeit wissen. “Es ist meine Aufgabe jeden Eindringling heute Nacht unschädlich zu machen.” Gestand der Ripper. “Der Boss ist da sehr deutlich.”

 

“Dein Boss?” Nun mischte Bone sich wieder ein. “Hat etwa Apo dich geschickt? Das sähe diesem Wicht ähnlich, anderen die Drecksarbeit zu überlassen! So will er sich also vor unserem Duell drücken!” Moth zweifelte stark an dieser Version, doch bevor sie näher darauf eingehen konnte musste sie der Rasierklinge von Jack ausweichen die sie nur um einen halben Zentimeter verfehlte! Ihr Gegner war schneller als ein normaler Mensch!  
   
In solchen Momenten verbündeten sich gewöhnlich zwei Leute gegen die größte Bedrohung.  Doch hier ging es um zwei Schurken in Ausbildung. “Ich werde ihn schon finden” erklärte Bone während er aus der Sporthalle rannte. “Viel Spaß euch Beiden!"

 

Moth wollte sogleich hinterher hasten, doch der Ripper hatte andere Pläne. Im Licht blitzend schlug die Rasierklinge nach der Schurkin die gerade noch zurückweichen konnte. “Du wirst langsam lästig” Jack legte den Kopf schief. “Jeder hat seine schlechten Eigenschaften.” Seine starre Fratze kam in Bewegung, seine Augen rollten unsicher an die Decke. “Was war das?” Die ganze Sporthalle begann zu knistern und zu rascheln, so als würde jemand Popcorn machen. Er erkannte plötzlich eine Fleck an der Decke. Und er wurde von Sekunde zu Sekunde größer!

 

“Sag hallo zu meinen Kampfhornissen” bat Moth ihren Gegner. “Sie sind zwar nicht sehr Nachtaktiv aber mir zuliebe machen sie eine Ausnahme.“ Jack the Ripper schien wenig beeindruckt. “Das soll dir helfen? Ein paar Hornissenstiche?” er machte aus seiner Verachtung keinen Hehl. Die Insektenliebhaberin nickte verständnisvoll. “Zuerst einmal können Hornissen mehrfach stechen, im Gegensatz zu Bienen behalten sie ihre Stacheln. Ein Stich ist sicherlich lästig, und ein paar...sicher unangenehm, aber hier sind es einige mehr.” Sie schloss die Augen.

 

“Zweihundertfünfundneunzig Exemplare”

 

“Du hast sie abgezählt?!”

 

“Ich spüre das, und ich stehe mit jeder in Kontakt” erläuterte das Mädchen. “Und nun stellen sie sich dir auch nochmal Einzeln vor!”

Wie auf ein unsichtbares Zeichen lösten sich sämtliche Insekten von der Hallendecke und umhüllten den Ripper mit einer phänomenalen Geschwindigkeit! Bevor dieser überhaupt etwas sagen konnte war er schon in einer Wolke aus aggressiven Insekten eingehüllt.  Moth drehte sich langsam um. Sie hatte hier nichts mehr verloren.

 

Die junge Schurkin kam genau einen Schritt weit, dann hielt sie inne und warf nochmals einen Blick auf ihr Opfer. Sämtliche Hornissen sendeten ihr ein Warnsignal. “Unmöglich!” kommentierte sie ungläubig. Die Wolken lichtete sich. Der angebliche Jack the Ripper stand immer noch aufrecht. Unversehrt. “Deine Tierchen haben wenig Wirkung auf mich!” Moth runzelte die Stirn. “WAS bist du?”

 

Der Ripper sauste auf sie zu, seine Füße berührten nicht mal den Boden, schwang dabei das Rasiermesser über seinen Kopf und zielte nach Moth.

 

“Gefährlich!” war seine Antwort.

 

-

 

“Vorsicht Yu!” brüllte jemand. Der Fremde der sich selbst als Dschingis Kahn vorgestellt hatte schnellte mit einer unglaublichen Geschwindigkeit vor und holte mit seinem Krummsäbel aus. Mehr glücklich als gewollt stolperte Yu rückwärts und fiel nach hinten, die Spitze der Klinge verfehlte seinen Hals nur um einen Haaresbreit. Doch bevor er auch nur daran denken konnte aufzustehen stand sein Gegner über ihn und holte abermals zum Schlag aus.

 

Yu wusste das er nicht mehr ausweichen konnte. Als die Klinge langsam auf ihn herunter raste erstarrte er wie ein Kaninchen vor der Schlange. In letzter Sekunde hielt jemand den Arm dazwischen. Glücklicherweise war es der gepanzerte von Ami, ansonsten wäre das ganze wohl recht unschön verlaufen. “Hier sind wir nicht mehr im Mittelalter!” erklärte die Heldin in Ausbildung zähneknirschend, stemmte sich gegen ihren Kontrahenten. “Also rück uns von der Pelle!” Das Gesicht ihres Gegners war seltsam verzerrt, dennoch ging eine vorbildlich böse Ausstrahlung davon aus. “Ich werde euch erst in Ruhe lassen wenn ich euch in Scheiben geschnitten habe!”

 

Die Heldin nickte nur als Antwort. “Klare Ansage, dann muss ich mich wenigstens nicht zurückhalten!” In gekonnter Manier trat sie den Kahn von sich und streckte ihren Arm aus. “RAL, Geschützmodus!” Eine Rakete wurde ausgefahren. Das Mädchen zielte. “Feuer!” Die Rakete konnte ihr Ziel kaum verfehlen. Der Korridor war eng und der Gegner direkt in der Schusslinie. Zu Verwunderung von Ami, Yu und Rattler traf das Geschoss trotzdem nicht, der selbsternannte Kahn sprang in die Luft...und blieb dort stehen!

 

“Wie?” ächzte Rattler

“Was? Hauchte Yu

“Warum?” komplementierte Ami das Fragenkonstrukt fassungslos.

 

Vollkommen spielerisch schwebte der Feldherr durch die Luft und flog regelrecht auf Ami zu. Diese musste schnell reagieren, zum Glück hielt ihre Rüstung dem Säbel weiterhin stand, doch ihr Kontrahent ließ nicht von ihr ab und versuchte nach ihrem Kopf zu schlagen. Yu beobachtete beunruhigt wie seine Mitbewohnerin immer wieder mit Mühe zurückweichen musste. Und dann etwas verdattert Rattler die gelangweilt an der Wand lehnte!

“Solltest du ihr nicht helfen?”

 

Die Kopfgeldjägerin hob ihre Hutkrempe, ihr Blick traf den von Yu. “Werde ich dafür bezahlt?” Dem Jungen klappte die Kinnlade runter. “WIE?” Das Mädchen lächelte nur. “He nichts für ungut Greenhorn, ich kann ja nicht umsonst arbeiten, das wäre ja fast sowas wie...eine uneigennützige Hilfe!” Der kleine Kerl schnaufte und klopfte seine Taschen ab.

 

“Also wie wäre es mit... einem Knopf und zwei Mango-Drops?”
“Klingt ganz gut”
“Wirklich?”
“NATÜRLICH NICHT!” bellte das Cowgirl erbost, ließ Yu’s Hoffnungen platzen wie eine Seifenblase. “Hältst mich wohl für die Wohlfahrt der preiswerten Banditen!”

 

Indessen ging der Kampf weiter. Ami alias IronMaiden wehrte sich weiter tapfer, doch Stück für Stück wurde sie zurückgetrieben. Ihr Gegner schwebte ohne ersichtliche Hilfsmittel in der Luft, kreiste fast schwerelos um sie herum. “Würde gerne wissen was das ist” murmelte Rattler nachdenklich. “Erinnert mich wie an einen schlechte Zaubertrick aus dem Fernsehen.” Yu’s Gehirn arbeitete auf hochtouren. “Das könnte es sein!” Die Kopfgeldjägerin betrachtete den Jungen neugierig. “Was meinst du?” Doch schon war der angehende Schurke losgestürmt und raste auf die Kämpfenden zu. “Ami!”

 

Die Heldin in Ausbildung gönnte sich eine Halbe Sekunde um den Kopf zu drehen während sie einen Angriff abwehrte. “Das ist gerade ungünstig” bemerkte sie gehetzt. Doch ihr Verbündeter hatte einen Plan. “Feuere auf die Decke ÜBER den Kerl!” Nun wurde auch der Kahn auf ihn aufmerksam und sein verzerrtes Gesicht verzog sich wütend. “Du kleines Etwas, das war ein großer Fehler!” Mit einer unfassbaren Schnelligkeit löste sich der angebliche Feldheer von Ami, denn er hatte ein neues Ziel! Das Mädchen streckte aberrmals ihren Arm und zielte auf den Rücken des Feindes, hielt aber inne. Wenn der Kontrahent wieder ausweichen würde dann könnte das Geschoss Yu treffen. “Ich hoffe du weißt was du tust” bangte sie im Geiste.

 

Dann zielte sie direkt auf die Flurdecke über den Beiden. “RAL, JETZT!”

 

Diesmal konnte Yu nicht ausweichen, und dann passierte alles gleichzeitig. Der Kahn ließ sein Schwert niederfahren. Die Rakete schlug in die Decke über ihn ein, Staub und Deckenbalken stürzten herunter. Yu beobachtete wie der Arm der das Schwert hielt...erschlaffte. Rattler und Ami bestaunten das Schauspiel. Als hätte man einen Knopf gedrückt war der Kahn in sich zusammengefallen, lag mit verkrümmten Gliedern am Boden. Yu rappelte sich auf, die wenigen Deckenteile hatten Staub aufgewirbelt. “Das war knapp!”

 

Die Kopfgeldjägerin kam näher und tipte den angeblichen Heerführer der Mongolen mit ihrer Stiefelspitze an. “Was ist los? Ging dem der Sprit aus?” Yu schüttelte den Kopf. “Ähm als du meintest schlechter Zaubertrick erinnerte ich mich an eine Sendung wo die zeigten das bei den meisten Kunststücken immer dieselben Sachen benutzt werden: Spiegel, Doppelte Böden und...”

 

“Fäden!” unterbrach ihn Ami kombinierend. Tatsächlich erkannten sie nun einige glitzernde Fäden in der Luft, da wo der Kahn gestanden hatte. “Aber das bedeutet doch...”

 

Yu bejagte schweigend und packte den angeblichen Dschingis Kahn am Arm, zog ihn hoch.

 

“Eine Puppe, eine art Lebensgroße Marionette.”

 

Die Mädchen hatten es nun ebenso durchschaut, nun erkannten sie auch das die Haut des Wesens aus Holz bestand. Es erklärte auch die merkwürdigen Bewegungen und die verzerrte Mimik. “Und wenn man die Fäden durchtrennt dann ist der ganze Spuk auch vorbei” beendete er seine Ausführungen. Aber diesmal nickten die Mädchen nicht. Yu blinzelte. “Was? Das Ding kann schlecht nochmal angreifen oder?”

 

Rattler kaute auf ihrem Strohhalm. “Du vergisst was Greenhorn." Ami gab ihr recht.

 

“Was denn?” Yu war nun wieder verunsichert.

 

“Denjenigen der die Fäden gezogen hat.” setzte Ami ernst an. Doch davon wollte der kleine Kerl nichts wissen.

 

“Wenn kümmert das denn? Von mir aus kann derjenige unbehelligt davonkommen, wir haben die Testergebnisse und das sollte reichen!” 


“Und wenn jemand anderes dadurch zu schaden kommt?”


“He ich bin Schurke in Ausbildung, es ist meine PFLICHT das mir Andere Gleichgültig sein sollten! Zumindest nach diesem ganzen Trubel habe ich wohl das Recht etwas egoistisch zu sein!”


“Aber Yu! Wenn da noch mehr kommt?”

 

Der Junge legte seinen Kopf schief und hob eine Augenbraue. “Ich will nicht wissen was für einen Aufwand es macht so eine Puppe zu lenken, also wie wahrscheinlich ist es das es davon mehr als Eine gab?”

 

Ein Klappern unterbrach die drei Schüler in ihrer Diskussion. Am Ende des Korridors bewegte sich etwas, Ami erkannte es als erstes.

 

“Da hast du deine Antwort.”   

Es war keine weitere Puppe.

Es waren mindestens Zehn.

 

Yu beobachtete mit Schrecken mehrere grob geschnitzten Marionetten welche sich auf sie zubewegten. Alle trugen Nadelstreifenanzüge und Hüte, und er bemerkte panisch das sie altmodische Maschinengewehre in den Händen hielten. Doch weiter kam er nicht. Jemand packte ihn am Kragen.

 

“RÜCKZUG!” fasste Ami aka Iron Maiden die Situation perfekt zusammen und hastete mit ihren Mitstreitern in die entgegengesetzte Richtung. Bald schon krachten die ersten Schüsse. “Wir müssen sie ablenken!” überlegte das Mädchen laut, sah sich um. Am Ende des Flures waren die Aufzüge. Hastig drückten sie den Knopf, die Türen öffneten sich in dem Moment als ihre Verfolger aufgeholt hatten. Jetzt war es an der Zeit zu sagen das man die Gegner aufhalten würde und die Anderen fliehen sollten. Sie räusperte sich gerade als Rattler sie unterbrach.

 

“Okay haut ab. Ich halte sie auf.”

 

Ami traten die Augen vor. “Aber das wollte ich doch gerade sagen!” doch da wurde sie schon von der Kopfgeldjägerin in die Kabine geschubst. Yu folgte stolpernd hinterher. “Rattler!” rief er noch als die Fahrstuhltüren sich schon schlossen. Die Kopfgeldjägerin blieb vor dem geschlossenen Aufzug stehen, in ihrem Rücken insgesamt zwölf Puppen. Sie drehte sich um und richtete das Wort an den Auffälligsten. “Du bist wohl der Chef was?” Die Puppe nickte mit ihrem Hut, sein Holzgesicht zierte eine Narbe. “Für dich Al Capone.”

 

“Natürlich” erwiderte das Cowgirl, ihr Gesicht unter der Hutkrempe verborgen.

 

“Bevor ich und meine Bande dich umlegen” setzte die Marionette an “Darf ich dich fragen was das sollte? Dieses Aufopfern?” Ein abfälliges Lachen raunte unter den Holzgestalten. “Was willst du sein? Ein HELD?”

 

“Falsch” korrigierte sie während sie ihre Hand hob und allen etwas zeigte. Es waren die Prüfungsergebnisse.

 

“Erstens wollte ich die Lösungen des Testes, die lassen sich sicher gut an meine Mitschüler verkaufen. Zweitens wollte ich die Anderen los werden, und unter diesem Vorwand war das die perfekte Gelegenheit. Und Drittens” ihre Hände griffen langsam an ihre Colts und entsicherte sie. “Konnte ich mich heute noch nicht austoben.”

 

Abermals lachten die Marionetten, die Puppe von Al Capone verzog das Antlitz zu einem grinsen. “Wir sind zwölf Mann die je ein Maschinengewehr mit etwa 50 Schuss Munition haben.” Die Puppen bemerkten wie der Hut des Cowgirls etwas wackelte. “Kommt dir schon das Zittern vor Angst?” Die Kopfgeldjägerin nickte. “Ja... aber nicht aus Angst, sondern vor Vorfreude!”  Sie reckt ihren Kopf, so dass alle Puppen ihren Augen sehen konnten, das teuflischen Grinsen in ihrem Gesicht, die Colts kampfbereit erhoben.

 

“DAS IST EUER ENDE!!!”

 

Und obwohl es nur Puppen waren, also leblose Objekte ohne Gefühle, wichen sie zurück...

 

-

 

“Das sind Schüsse!” registrierte Ami panisch. Der Aufzug war schon losgefahren, energisch drückte sie auf den Knopf zum ersten Stock. “Was geht hier vor?” Yu stand neben ihr und konnte keine Ungereimtheiten feststellen. “Was meinst du?”

 

“Wir sollten eigentlich runter ins Erdgeschoss fahren, doch statt dessen fahren wir hinauf! Und dieser blöde Aufzug reagiert nicht!”

“Eine Falle?”

 

“Möglich” gab sie zu, hob ihren Arm, eine Rakete fuhr aus. “Dann halten wir diesen Blechkasten eben mit Gewalt auf!” Doch da meldete sich RAL, das Steuerungsprogramm der Kampfrüstung, zu Wort. “Unter gegebenen Szenarioparametern wäre ein Projektileinsatz mit hoher Wahrscheinlichkeit fatal für alle Vitalzeichen der Nutzer.”

 

Die Heldin in Ausbildung fuhr sogleich ihr Geschoss ein. “Du meinst also wenn ich Losschieße würde es uns auch erwischen?”

“Korrekt” bestätigte die körperlose Stimme höflich.

 

Yu ließ die Schultern hängen. “Also haben wir keine Wahl” Nervös beobachtete er die Anzeige des Aufzugs. Sie fuhren direkt ins Dachgeschoss der Schule. “Was solls” erwiderte seine Begleiterin schon wieder euphorischer und ballte kampfbereit die Faust “Jetzt erfahren wir wenigstens endlich wer hinter diesem Marionettentheater steckt!”

 

-

 

“Sie haben sie kaputtgemacht!” das kleine Etwas hampelte mit ihren Armen. “Dieser Apo ist wirklich ein Fiesling!”

 

“Du willst doch nicht aufgeben?”

 

Der Kopf der Angesprochenen Gestalt drehte sich ruckartig herum.

 

“Unsinn! Jetzt wird es doch erst spannend!”

 

-

 

Die Sporthalle war durch den Kampf inzwischen stark beschädigt. Die Wände und Böden hatten Kratzer, auch einige Fenster waren zu Bruch gegangen. Moth spurtete um ihr Leben. Ihr Gegner war dicht hinter ihr und wollte der Insektenliebhaberin ein brutales Ende bereiten, einzig ihre Schnelligkeit rette sie bisher. Eigentlich war das alles hier wie eine typische Sportstunde bei Raven, schoss es dem Mädchen durch den Kopf. Nur das DIESES tödliche Wettrennen nicht mit der Pausenglocken Enden würde.

“Bleib stehen und lass uns die Sache zu Ende bringen!” rief der angebliche Jack the Ripper und schlug mehrfach mit seiner Klinge nach der Gegnerin. Moth jedoch hatte andere Pläne. “Stehen bleiben nicht, aber das mit dem zu Ende bringen klingt schon eher nach meinem Geschmack” behauptete sie entschlossen, schlug einen Haken und hastete zur Gerätekammer. Der Ripper folgte hinterher, verharrte jedoch am Eingang. Körbe voller Bälle und diverse Turnutensilien stapelten sich in dem engen Raum. “Willst du Zeit schinden? Ich bin enttäuscht. Stell dich offen dem Kampf!”  

 

“Wäre das nicht sehr dumm von mir?” fragte die Stimme von Moth aus der Dunkelheit. “In einem offenem Kampf könnte ich verlieren, aber mit einer hinterhältigen List gewinnen ist doch viel Erfolgversprechender!”

 

Bevor ihr Gegner darauf etwas erwidern konnte kam etwas aus der Finsterniss der Kammer auf ihn zugeschossen.

Baskettbälle.

 

“Willst du so gewinnen?” wütend hackte der Ripper auf die Geschosse ein, zerschnitt sie in zwei Teile und selbst die wenigen Bälle die ihn direkt trafen hatten keinerlei Wirkung auf ihn. “Lächerlich! Wenn Laser und Wespen mir nichts anhaben sollen es Baskettbälle schaffen?” Spielerisch ließ er sein Rasiermesser in der Hand wandern, dabei verzog sich sein starres Gesicht mordlüstern. “Keine Antwort? Na gut, wenn du nicht rauskommen willst dann muss ich wohl reinkommen! Auf eins...zwei...”

 

Plötzlich trat Moth hinter einem Kasten hervor. “Drei” beendete sie den Countdown. Ihr Kontrahent legte den Kopf schief. “Wars das?”

 

Sie nickte.

 

“Und dafür hast du sinnlos Zeit vergeudet?”

 

Moth blinzelte. “Was meinst du?” das Mädchen musterte ihn. “Denkst du ich redet von MEINEM Ende?” Das erste Mal überhaupt war der Ripper verunsichert. Woher nahm seine Gegnerin noch die Hoffnung auf den Sieg? Er schüttelte verneinend seinen Kopf. Sie bluffte! In der Geschwindigkeit eines Wimpernschlages war er bei Moth, holte mit der Klinge aus und dann...

 

Fiel ihm die Hand samt Waffe ab.

 

“WAS?” kam es vom Ripper . Er war eher verwirrt als ernsthaft verletzt, verblüfft starrte er auf seinen Armstumpf.

 

“Du bist eine Puppe, so eine Art Marionette aus Holz” kombinierte die Insektenliebhaberin laut.

 

“Wie hast du es herausgefunden?”


“Es hat lange gedauert, aber meine Wespen gaben mir schon gute Hinweise, kein Wunder das sie dir nichts anhaben konnten.” Die Schurkin musterte ihn arrogant. “Du bist nichts weiter als ein Stück Holz an Fäden!”

 

Die Marionette verzog das Gesicht, was ging hier vor? Sie blickte sich um, ihre Augen streifte dabei die zerschnittenen Basketbälle. Jetzt erst bemerkte die Puppe das einige kleine, braune Punkte auf den Geschossen herumkrabbelten. “Käfer...” sprach sie  aus, dabei knirschte ihr Kiefer hörbar. “Keine gewöhnlichen” wandte Moth ein. “Das Insektenreich hat auf alles eine Antwort, und als ich wusste was du bist wusste ich auch welche meiner Verbündeten ich auf dich hetzen kann.” Ungläubig musterte die Ripperpuppe seine Gegnerin, sie spürte wie ihr Körper zu beben begann. Vorsichtig blickte er nach unten, und riss sich das Hemd vom Körper. Dutzende dieser Käfer waren auf seinem Körper und krabbelten umher! Jetzt verstand er auch warum ihn die Bälle hatten treffen sollen, damit hatten die Insekten sich auf ihm eingenistet!

 

“Nein...”

 

“Oh doch” widersprach Moth und schritt gleichgültig gegenüber dem Ripper hinaus in die Halle. “Du darfst dich freuen, du bist gerade Nahrung für eine Termitenkolonie!”

 

Die Marionette wollte herumfahren und nach der Schurkin greifen, doch da bröckelte ihr zweiter Arm ab, der Holzstumpf hing lose an einem Faden während die Insekten ihn langsam auffraßen. “Das...kannst du...nicht...” wandte die Puppe ein, doch da zerfiel ihr Holzgesicht schon morschzerfressen von seinen Gästen. Moth machte sich nicht die Mühe sich nochmal umzudrehen, so sah sie also nicht wie ihr Gegner sich zu einer Ansammlung Splitter und Fäden auflöste. “Yargh!"

 

“Schurken dürfen alles, sie müssen nur damit durchkommen” erwiderte das Mädchen, eher sie ihre Erschöpfung spürte. Der Kampf hatte sie viel Energie gekostet, doch nun war sie entschlossen: Sie würde nicht nach Hause gehen bis sie wusste was hier vorging! Und wenn Yu mit ihren Gefühlen spielte würde sie sich gebührlich bei ihm bedanken...ganz ohne Insektenhilfe!

 

-

 

Mit einem Surren glitten die Aufzugstüren auseinander. Ami rollte sich kampfbereit aus der Tür, dabei eine Rakete am Arm ausgefahren. “HA!” rief sie anspornend, nur leider war Niemand zum anbrüllen da. Yu streckte etwas weniger euphorisch den Kopf aus der Kabine, sah wie seine Mitbewohnerin nur einen langen Korridor. Beide nickten sich zu als sie behutsam einige Schritte vorangingen. Sofort schloss sich der Aufzug und überließ sie dem was vor ihnen lag.

 

Der Korridor endete an der einzigen Tür. “Sie muss zu einem der Schultürme führen” bemerkte Yu nervös während Ami die Klinke herunterdrückte. Der Junge hatte recht gehabt.

 

Das Turmzimmer war recht groß. Ein kreisförmiges Raum mit Spitz zulaufendem Dach. Das Mondlicht gab allem einen düsteren Touch. Lauernd traten die Beiden ein. “Da seid ihr ja endlich” kommentierte eine kleine, boshafte Stimme. Ihre Blicke fielen auf eine Art großen, thronähnlichen Stuhl der Zentral im Raum stand. Auf ihr sass ein Mädchen. Zumindest glaubte Yu das es eines war. Sie trug zwar ein langes Kleid und hatte weibliche Gesichtszüge, doch ihre Augen hatten eine unheimliche weiße Leere, schwarze Striche waren darunter geschminkt.

 

Das auffälligste an ihr war jedoch die kleine Puppe die sie auf ihrem Schoß hatte. Die Stimme kam von ihr!

 

“Ich dachte schon der große Schurke Apo lässt uns noch länger warten” erklärte die kleine Puppe gehässig. Sie hatte ebenso ein Kleid, doch trug sie lange Zöpfe und ihr Gesicht war mehr als belebt. Zumindest hatte Yu selten so lebendige Bosheit aus einem Gesicht entnommen. “Du ähm bist also diejenige die uns Angegriffen hat” bemerkte er überflüssig. Die kleine Puppe lachte diabolisch während das Mädchen auf dessen Schoß sie sass keine Miene verzog. “Du merkst auch alles! Ja natürlich haben wir Püppchen auf euch gehetzt, denkst du wir sitzen hier durch Zufall?”

 

“Gib dich zu erkennen!” forderte Ami in gewohnter Heldenmanier.

Beide, die Puppe und das Mädchen, wandten Ami und Yu synchron den Kopf zu, ein unheimlicher Anblick. “Endlich kommen wir zum Punkt” plapperte die kleine Figur. “Ich bin Do-chan, und hinter mir das ist Puppeteer.” Die angesprochene nickte ausdruckslos. Ami runzelte die Stirn.

 

“Steht das Do-chan irgendwie für Dolly Chan?”

 

“Bin halt ein süßes Püppchen” erklärte Do-chan zynisch, ihre Augen hatte eine düstere Aura. “Was soll das Ganze?” ergriff nun Yu das Wort. “Warum greifst du uns an?” Seine Frage richtete sich direkt an das Mädchen, doch statt dessen meldete sich wieder Do-chan. “He, rede gefälligst mit mir! ICH habe das alles initiierte, ICH bin diejenige die dich auslöschen wird!”

 

“Dann beantworte du mir halt die Frage!” rief der Junge aufgebracht. “Wieso das Ganze?”

 

“Wieso fragst du?” Die Puppe schaffte es ein perfektes, abfälliges Schulterzucken nachzuäffen. “Wieso denn nicht?”

 

Der Junge wich erschrocken zurück, was die Puppe abermals zu einem bösen Gelächter veranlasste. “Und jetzt kommen wir...”

 

“...zum Ende des Puppentheaters!” unterbrach sie auf einmal eine Stimme. Bone war neben dem Sitz aufgetaucht und richtete seinen Armlaser direkt auf den Kopf von Puppeteer. “Woher kommst du den Klappergestell?” wollte Do-chan interessiert wissen. “Du überschätzt dein Sperrholz an Fäden, außerdem hast du wohl nicht damit gerechnet das jemand über das Dach hier reinkommt!” Das Gesicht unter dem Schädelhelm blickte grimmig drein.

 

“Klasse gemacht Bone” lobte Yu ihn, doch der Angesprochene rümpfte nur lautstark die Nase. “Bild dir nichts ein Apo, wenn die hier erledigt ist bist du der Nächste!” Yu ließ die Schultern hängen. Manchmal war selbst die Rettung nur das kleinere Übel. Doch Do-chan schien nicht beunruhigt. “Wer redet den von dem Nächsten?” wollte sie neugierig wissen, drehte den Kopf um gute 90 Grad zum Jungen in der Knochenrüstung. “Du willst uns bedrohen?”

 

“Ach so würde ich das nicht nennen” behauptete er. “Ich mache keine leere Drohungen, ich handele lieber!”

 

Die kleine Puppe grinste. “Tu es...wenn du kannst!”

 

Bone war eine Sekunde überrascht, biss dann aber ärgerlich die Zähne zusammen. “Das war dein letzter schlauer Spruch!” rief er als er seine Hände zum Laserschuss krümmte. Das hieß er versuchte es. Ihm traten schockiert die Augen vor, und er starrte auf seine Hand. Sie gehorchte ihm nicht mehr! Während Puppeteer das ganze teilnahmslos beobachtete war Do-chan wieder am Grinsen. “Was denn? Doch keine Lust?” Ami und Yu musterten das ganze Schauspiel mit wachsender Beunruhigung, was ging da vor? Sie beobachteten verstört wie der Arm mit der angebrachten Laserwaffe sich scheinbar widerwillig bewegte...und dann auf Bones eigenen Kopf zielte!

 

“Wie...machst du das...ich...kann mich nicht rühren!” zischte der Junge in Skelettrüstung als er seine eigene Waffe auf sich richtete.

 

“Denkst du ich hätte das Dach nicht abgesichert?” Do-chan’s Kopf wackelte aggressiv hin und her.  “Als du durchs Fenster gestiegen bist kamst du mit meinen fast unsichtbaren Klebefäden in Berührung! Somit habe ich die absolute Kontrolle über dich!” Nun sahen auch die Anderen im Mondlicht die Umrisse der Fäden die an Bones Armen und Beinen klebten! “Das wirst du büßen, mach diese Dinger ab!” verlangte dieser.


“Oder” überlegte die kleine Puppe laut “Du verbeugst dich erstmal vor mir!” Wie auf Kommando beugte sich Bone ruckartig vor, seine Gesichtsmimik dabei verzerrt vor Wut.

 

“Das reicht!” befand Ami streng, und auch die kleine Do-chan schien urplötzlich zuzustimmen. “Du hast wohl recht, wir wollen lieber sehen was meine neue Puppe kann!” Mechanisch wirbelte Bone herum, dabei verrenkten sich seine Hände widerwillig in Amis Richtung. “Ich kann sie nicht aufhalten!”

 

Yu blinzelte irritiert. “Willst du uns nicht eh immer ausradieren?”
“Das ist aber dann meine freie Entscheidung!” wandte der Junge in der Knochenrüstung ärgerlich ein.


“Das wird nicht lange dauern” versprach Ami, zückte ihre Raketen. Doch Yu hielt sie zurück. “Du kannst ihn doch nicht angreifen wenn er es unter Zwang tut!”

 

Die Heldin undercover sah ein das diese Situation moralisch Heikel war. “Sehr witzig Apo” mischte sich Do-chan auf dem Schoß ihrer Lenkerin ein. “Du willst wohl den Gutmensch spielen, dabei hast du sicher selbst gemerkt das eine Rakete den Turm zusammenkrachen lassen könnte!” Sichtlich überrumpelt lächelte der kleine Kerl. “Äh ja... du ähm hast mich durchschaut!”    

 

Ami registrierte wie sich die freie Hand von Puppeteer bewegte. Die Fäden an ihren Fingern mussten Bone lenken! Wenn sie an das Mädchen herrankommen würde dann könnte sie den Spuk sicher beenden. “Und ich beende dieses Spektakel nun” fuhr die kleine Puppe gehässig fort. “Bone-Puppe, lösche sie aus!” Der Gelenkte zielte mechanisch auf Yu. Ami blinzelte. Alles war nur eine Frage des Lenkens. Wenn sie die Puppenspielerin niederschlagen würde dann würde das ganze Spektakel zu Ende gehen. Sie setzte schon zum Sprung an, doch auch hier war die Gegnerin schneller. Urplötzlich sanken mehrere Puppen vom Turmdach an Fäden herunter und umringen das Mädchen. Pistolen, Messer und Speere wurden auf sie gerichtet.

 

“Auch du wirst nur noch so lange Leben um deinen Meister sterben zu sehen!” versprach die kleine Do-chan. Ami schluckte, selbst wenn sie alle Puppen gleichzeitig ausschalten könnte, sie würde Yu nicht rechtzeitig helfen können! Bones Armlaser zielten genau auf die Stirn des kleinen Kerls. “Tut mir leid Apo” knurrte Bone. “Ich wünschte ich hätte dich aus eigenem Antrieb auslöschen können!” Dieser war wie gelähmt, selbst ihm fiel diesmal nichts ein! Die Puppenspielerin hatte sie besiegt, und er würde nicht einmal den Grund dafür erfahren! Alle Marionetten begannen sich in Stellung zu bringen, spannten sich Kampfbereit an...und begannen wie von Sinnen unkontrolliert zu zucken! Irritiert beobachteten Yu und Ami ihre Gegner, was sollte das nun werden? Selbst Bone zappelte sinnlos herum! “Was soll der mist?” brüllte der Junge in der Knochenrüstung. Diejenige die am meisten von dieser Sache überrascht überrumpelt war, das war Do-chan selbst. Während Puppeteer keinen Muskel verzog war die kleine Puppe fassungslos. “Wieso? Warum geht das nicht?” Alle sahen wie ihre Besitzerin mit ihrer freien Hand an Fäden zog, doch das Ergebnis war wieder nur ein wirkungsloser Tanz der Marionetten. “Irgendwas stimmt mit der Steuerung nicht!” Do-Chan war wirklich in Panik. “Jemand hat meine Fäden manipuliert!”

 

“Richtig” erklärte plötzlich jemand vom Deckenbereich des Turmes. Yu, Ami, Bone, Do-Chan und auch Puppeteer blickten ruckartig nach oben. Moth stand auf einem der Dachbalken. “Und zwar ich!”

 

Die kleine Gestalt auf Puppeteers Schoß machte keinen Hehl aus ihrer Wut. “Wie?” fragte sie zischend. “Simpel” war Moths Antwort. Nun erkannte es Yu. An dem Gewölbe aus Dachbalken waren überall Fäden zu sehen. Es mussten Tausende sein, damit wurden sicher alle Handlanger ihrer Gegnerin gesteuert. Doch er erkannte auch einige Bewegungen an den Schnüren.

Spinnen.

 

“Du hast meine Fäden durcheinandergebracht!”

 

Moth bestätigte ihre Annahme. “Mir war klar das wenn meine achtbeinigen Freunde deine Schnüre miteinander verkleben das du keine Kontrolle mehr über die Holzköpfe haben würdest.”

 

“Wow, keine dumme Idee” räumte selbst Ami ein. “Aber sag mal was machst du eigentlich hier?” Sofort wurde der Blick der Insektenschurkin hart, sie fixierte Yu kalt. “Das wüsste ich auch gerne, böswillig hergelockt wurde ich! Und nun will ich eine Rechenschaft!“ Ärgerlich trat sie einen Schritt vor doch ein lautes Knirschen ließ den Dachbalken auf einer Seite wegbrechen und das Mädchen stürzte hinunter!

 

“NEIN!” schrie Ami überrascht. Sie war immer noch von zappelnden Puppen umringt die sie daran hinderten zur Hilfe zu eilen.

 

Moth stürzte wie in Zeitlupe, sah langsam den Erdboden auf sich zu kommen. Der Sturz würde Fatal enden. In den letzten Momenten grämte sie sich wegen einem Jungen so aufgeführt zu haben, war es das wert gewesen? Yu Yushiki war ein egoistischer Bösewicht der sie nur ausgenutzte und sie für seine Pläne missbraucht hatte. Im Prinzip also etwas natürliches, doch die junge Schurkin hatte sich mehr darauf eingebildet als ihr Lieb war. Kurz vor dem Aufprall schloss sie die Augen. Liebe war eine Lüge. Seltsamerweise überlebte sie den Aufprall. Mehr noch, als sie irritiert die Augen öffnete befand sie sich unversehrt am Boden.

 

In ihrer Version hatte sie Yu geschickt und erotisch kühl lächelnd in seinen Armen aufgefangen.

 

Im Wirklichkeit hatte Yu tatsächlich versucht Moth zu retten, doch beim Aufprall war er etwas unter dem Mädchen begraben worden, und lag nun leicht benommen unter ihr.

 

“Geht es dir gut?” ächtze er gepresst.

 

“Geht es dir gut?” hörte Moth ihn cool hauchen während sie Aufstand. Er hatte ihr das Leben gerettet! Das Mädchen musterte ihn überrumpelt, war das alles sein Plan gewesen? Hatte er sie retten wollen um Eindruck zu schinden? Oder war das ein Akt der Liebe? Sie wollte ihn darauf ansprechen, ihn kalt klarmachen das er sie nicht interessierte und er gefälligst verschwinden sollte. Sie brauchte diese Tortur der Liebe nicht, sie war ein Insektenmädchen! Amseisen und Spinnen hatten auch keinen Sinn für alberne Romantik!

 

Statt dessen errötete sie, kicherte albern und hastete so schnell es ging aus dem Turm.         

 

“Ich glaube sie hat was gegen mich.” urteilte Yu während er der Fliehenden hinterherschaute.
 
“Wie konnte das geschehen?” fragte Do-Chan nun hasserfüllt. “Es war alles exakt geplant! Ich werde...”

 

“Nichts weiter” erklärte jemand aus dem Schatten und trat ins trübe Mondlicht.


“Sie?” murmelte Yu erstaunt.
“Sie?” knurrte Bone überrascht.
“Sie?” fragte Ami ungläubig.

 

“Aber sicher” erwiderte Professor Wicked schmunzelnd und wandte sich mit zusammengekniffenen Augen an Puppeteer. “Der Test ist jetzt zu Ende” teilte er ihr mit.

 

“Test?” echote Ami. “Wollten sie sagen das ganze hier war eine Prüfung für uns?”

 

“Aber das wäre doch vollkommen unsinnig” widersprach der Lehrer heiter. “Es gab nie einen Test für euch.”

 

Nun waren auch Bone und Yu verwirrt. “Sie sagten doch wir müssten einen Test ablegen.” Professor Wicked nickte. Seine Brille glänzte im Mondlicht. “Ich weiß aber es ist so: Ich habe gelogen!” Den beiden Jungs fiel die Kinnlade herunter während Ami die Augenbraue anhob. “Überrascht euch das bei einem Schurken wirklich so sehr?”

 

“Aber was ist mit dem Testbogen?” wollte Yu wissen.

 

-

 

Exakt in diesem Moment wartete Greed, der reichste Schurke der Schule, am Tor. Er hatte alles geplant und hasste es wenn sich etwas nicht nach ihm richtete! Plötzlich hörte er ein klimpern aus Richtung des Schulgebäudes kommen.  “Da bist du ja, warum dauerte das so lange?”

 

Rattler die Kopfgeldjägerin trat ohne einen Kratzer aus dem Abendnebel. “Hatte mich noch etwas mit Puppen beschäftigt.” antwortete sie. Der Junge bemühte sich nicht darauf einzugehen (Er hatte Sorge um die Antworten die er bekommen würde) und streckte statt dessen die Hand aus.

 

“Hast du sie?”

 

“Sicher, die Testergebnisse, ich habe sie Yu selbst abgenommen” sie reichte ihm die Papierblock.

 

“Ausgezeichnet!” Greed war zufrieden. “Nun kann ich alleine die Prüfung bestehen und allen anderen Mitschülern für teures Geld verkaufen!” Genüsslich schlug er die erste Seite auf. Sie war leer.
 
“Was?” ächzte er während er weiterblätterte. Der ganze Testblock war vollkommen leer, nur auf der letzten Seite hatte jemand mit einer ordentlichen Handschrift “Mehr Glück ein Andermal” hingeschrieben.

 

“DAS GIBT ES NICHT!” Greed schmiss wütend alles auf den Boden. “Dieser kleine fiese Mistkerl Apo hat das ganze sicher manipuliert! Wie soll ich damit Geld verdienen?!”

 

“Apropo Bezahlung” meldete sich Rattler höflich zu Wort, sie hatte ihren Hut ins Gesicht gezogen. “Ich will mein Geld.”

 

Greed glaubte sich verhört zu haben. “Bezahlung? Für Nichts? Du glaubst doch nicht ernsthaft das ich hierfür auch noch Geld zahle!” Der Schuss war ohrenbetäubend. Verstört blickte der Junge mit der goldenen Schädelhaube auf das rauchende Loch neben seinem Fuß. Er hatte nicht mal SEHEN können wie das Mädchen ihren Colt gezogen hatte! “Du hast mich beauftragt die Ergebnisse zu stehlen, was darin steht ist mir herzlich egal” erklärte das Cowgirl eisig.

 

Der Junge biss  die Zähne zusammen, griff dann in sein Jackett und zückte...sein Scheckbuch. “Das sollst du mir büßen Apo” knurrte er während er schrieb.

 

-


“Der Testblock war nur eine Attrappe” eröffnete der Professor ihnen. Nun verstand Ami gar nichts mehr. “Haben sie nicht gerade noch gesagt das der Test zu Ende ist? Es war also DOCH ein Test!”

 

“Das ist richtig” stimme der Professor zu.

 

“Ich versteh gar nichts mehr” jammerte Yu und hielt sich den Kopf. Der Klassenlehrer schmunzelte mit zusammengekniffenen Augen. “Ich muss wohl konkreter werden: Ja das ganze war ein Test, doch derjenige der getestet wurde wart nicht ihr.” Er deutete demonstrativ auf das Mädchen auf dem Thron.

 

 “DIE DA?” riefen Bone Ami und Yu synchron. Der Professor für Niedertracht bestätigte heiter. “Puppeteer und ihre Freundin Do-chan hatten die Aufgabe Yu zu töten.”

 

“Aha” kommentierte Yu und wurde leicht blass. “Wir hätten es auch fast geschafft!” keifte die kleine Puppe wütend während ihre Meisterin vollkommen ausdruckslos dreinschaute. “Diese ganzen blöden Zwischenfälle...”

 

“...waren keine Zufälle” unterbrach sie der Lehrer während er Yu ansah. “Ich muss sagen Apocalypto-Doomsday-Blackheart-XIII ich bin wie immer sehr überrascht von dir.”

 

“Ach ja?” fragte der kleine Kerl abwesend. Er war immer noch damit beschäftigt den Mordauftrag an sich zu verdauen. Doch der Lehrer ließ sich nicht irritieren. “Das du das ganze wie immer überleben würdest war mir schon klar, aber WIE, das war doch wieder sehr
beeindruckend: Deine Mitschüler Bone und Moth so geschickt auszunutzen, und auch Rattler zum Narren zu halten war ein wirkliches Meisterwerk des Schurkentums!”

 

“Der hat das alles geplant?!” ächzte Bone ungläubig während Ami etwas  grinste. Zum Glück ahnte niemand wie es wirklich um Yu stand. Doch dann fiel ihr etwas ein. “Sagen sie mal Professor, warum haben sie ein wildfremdes Mädchen einen solchen Test machen lassen? Wozu?”

 

Die Erklärung folgte am nächsten Schultag.

 

“Begrüßt bitte eure neue Mitschülerin” bat Professor Wicked und deutete auf Puppeteer die mit Do-chan in den Armen vor der Klasse stand und wortlos nickte. “Sie hat zwar ihren Aufnahmetest nicht wirklich korrekt erfüllt doch ich denke sie kann sich hier bei uns noch steigern!”

 

Do-chan bejahte stumm und, wandte ihr Haupt dabei zu einem bestimmten Tisch. “Und die Demütigung die man uns zugefügt hat wird bitter gerächt, verlass dich drauf Apo!”

 

Ami und Yu sassen leicht bedroppt auf ihren Stühlen.

Ende Episode 8

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Kommentare: 1
  • #1

    Lacrima (Montag, 17 März 2014 17:42)

    Bin (wieder mal) total begeistert! Die Idee mit dem Puppen ist gut, ich hab so Dinger noch nie gemocht. ^^
    Frage mich nur, warum es überhaupt eine Schurkenschule gibt. Ich meine, ist das nicht irgendwie gemeinnützig? Oder darf man die Schule als etwas Böses und eine Strafe verstehen? Eigentlich gar nicht so blöd... :D