Die Welt ändert sich, und wird (hoffentlich) toleranter... natürlich in millimetergroßen Schritten, aber hey, die Hoffnung ist da ^^; Bringen wir alle (und auch mich) nochmal kurz auf dasselbe Level: LGBTQI+ ist ist eine Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexuell, Trans, Queer und Intersex. Auf Deutsch steht das also für lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer und intersexuell. Das sind alles Beschreibungen für sexuelle Orientierungen und diverse Formen von Identitäten. Wird manchmal auch mit einem "*" statt mir einem "+" geschrieben aber ich denke ihr wisst jetzt etwa worum es hier geht.  Ich wollte mal nachprüfen wie "Tolerant" und "Offen" das Land der Manga ist. Und Teilweise war ich sehr überrascht...

 

Das "dritte Geschlecht" um 1600?

Japan war immer schon seiner Zeit voraus... und hing gleichzeitig dennoch hinterher. Dieser seltsame Kontrast ist z.B. bei den "Wakashū" zu beobachten: In der Zeit von ca.  1600 bis 1868 waren sie das "dritte" Geschlecht! "Wakashū"  (grob übersetzt mit "Jünglinge") waren junge Burschen die sich aber feminin gaben, meistens waren sie zwischen 12 und 20 Jahre alt und offen anerkannte Partner von Männern. 

Doch ähm.. 1868 rum wurde das "dank" rabiater Machtübernahmen verboten, und sehr schnell verschwand das wieder aus der Geschichte Japans. Ich denke diese seltsame "Ja-Nein Beziehung" zu sexuellen Minderheiten ist bis heute noch im Land der Manga zu beobachten.

 

Yaoi contra Bara

Ich privat bin ja ein Idiot. 

 

Ich weiß ich weiß, euch klappt die Kinnlade runter (vor allem die Leute die mich näher kennen) ICH hätte mal KEINE Ahnung von etwas??? Komplett neu ich weiß. Ich denke aber naiv "Oh Japan, das Land der Yaoi-Manga, da ist die Homosexualität also komplett normal!" doch alleine Yaoi-Manga sind faktisch nicht für Männer gedacht, sondern für Damen!

Die Entstehung des Yaoi Manga ist schon eine Geschichte für sich: Frauen mögen Erotik. Okay? Okay. Doch stellt euch vor: Eine Dame liest einen Erotik-Manga zwischen Mann und Frau in der Öffentlichkeit. Ähm... ja... Männer die das sehen würden hätten wahrscheinlich seltsame Vorurteile gegenüber so einer Dame, und das ist schlicht heikel für Viele. Aber eine Frau die einen Yaoi Manga liest? Das ist bei weitem "akzeptabler" und "normaler" für die Gesellschaft.

 

So entstand überhaupt der Yaoi: Alles was einen Devoten ("Uke") und einen Dominanten ("Seme") männlichen Charakter hat ist im Kern für Frauen ausgelegt. Eine Frau kann sich dank der (bewusst) androgynen Optik der Figuren nach Wunsch in den dominanten oder den devoten Charakter hineinversetzen, und ihre Tagesfantasien ausleben, ohne gleich als "Notgeil" oder "Schlampe" angesehen zu werden. 

Manga FÜR schwule Herren sind interessanterweise weitaus seltener und deutlich in der Minderheit, das sind dann keine "Yaoi" sondern "Bara" Man redet hier auch gerne von der "Bären Gemeinde", da sie der Kontrast zu Yaoi sind: Hier sind die Männer deutlich maskulin, bzw. haarig und muskulös, teilweise sogar bewusst "grob" und "rau" dargestellt wie z.B. im Werk "My Brothers Husband"

 

LGBTQI+ im heutigen Japan?

Schwul/Trans/Queer etc. in Japan zu sein ist extrem seltsam. In vielen Ländern ist sowas immer noch ein Stigma, in den drastischsten Fällen kann das sogar Todesstrafen nach sich ziehen und ähnliches, doch Japan hat wohl die "zwiespältigste" Mentalität auf der Welt dazu.

 

Die Japaner leben nach dem Mantra "Liebe was du willst": Als Mann einen Mann, als Frau eine Frau, als Mann im Frauenkörper eine Dame, als Frau in einem Männerkörper einen Mann in Frauenkleidern, als Frau Männer sowie Frauen sowie Transgender Menschen und so weiter und so weiter, liebe was du willst... im privaten!

Liebe, Zuneigung, sexuelles Verlangen... davon gehört nichts in die Öffentlichkeit. Selbst Hetero Paare die sich öffentlich küssen und Händchen halten sind einfach nicht "normal" und ein wenig "selten" in Japans Alltag anzutreffen. Auch die Akzeptanz von Schwulen/Lesben hat eine verrückte Doppelmoral: Oh du hast Sex mit Männern? Gut mein Junge... aber rede darüber nie. Bekenne dich nicht. Hab weiter Sex, niemand verbietet es dir... aber wenn man sich in Japan outet ist man schnell noch ein Fall für Ausgrenzung, Spott und auch teilweise Anfeindungen und Mobbing. 

 

Japaner haben überhaupt eine ziemlich "passiv-aggressive" Lebensweise: Eine Frau die sich öffentlich dazu bekennen würde lesbisch zu sein würde man wahrscheinlich bewusst und "aggressiv" ignorieren, z.B. ihr auf Fragen nicht antworten und ähnliches. Fälle von "geouteten" Schülern die Selbstmord begehen ist in Japan leider genauso häufig der Fall wie in anderen Ländern. 

 

Abseits von Yaoi-Manga/Anime sind Transvestiten z.B. sehr oft Comedy-Charakter in Serien, schrille Tunten die zwar nicht wirklich negativ, aber doch etwas als Witzfiguren dienen. 

Es gibt in Japan auch Schwulen-Kneipen... doch die sind meistens nur in bestimmten Vierteln Japans "unter sich" und weiß Gott: Kein Ort für homosexuelle Touristen. Lesbische Frauen haben es fast noch schwerer und sind nahezu "Unsichtbar" in der japanischen Öffentlichkeit, da allgemein eine Frau die "Aufgabe" hat "unscheinbar" und "im Hintergrund" zu sein, laut alter Wertvorstellungen der Japaner. 

 

Der große Kontrast Animes/reales Japan

Gerade Manga sind eigentlich der Vorreiter "diverser" Charaktere.

Ich zähle mal ein wenig auf:

 

Ash Lynx aus Banana Fish gilt z.B. als Bisexuell, Alluka Zoldyck aus dem Anime Hunter X Hunter ist als Trans-Frau angesehen und mit Crona aus Soul Eater gibt es einen offiziellen "Non-Binären" Charakter (Was erst später auch so definiert wurde)

Wir haben natürlich auch "klassisch" lesbische Damen in Animes wie Haruka Tenoh aus Sailor Moon oder Ymir aus Attack on Titan und "klassisch" schwule Kerle wie Seung-Gil Lee aus dem Anime Yuri on Ice. Shima Nishina aus der Serie "Küss ihn nicht mich" kann man als "Pansexuell" einordnen, und Ryunosuke Katagiri aus dem Manga Devil’s Line als "Trans-Mann".

Ouran Host Club spielt als Anime auch mit der sexuellen Identität fast aller Figuren, der Vater der Heldin Haruhi z.B. kann man als Bisexuell und auch Dragqueen bezeichnen. 

 

Den Schurken Angela aus Black Butler könnte man mit "Intersex" definieren, und Yagyuu Kyuubei aus der Serie Gintama als "Genderqueer".

Es ist beeindruckend wie offen Animes und Manga mit diesen sexuellen Definitionen umgehen und darstellen... und schade wie wenig davon in das "reale" Japan überschwappt. 

 

Ich möchte auch nicht stumpf auf Japan einhacken, ich schwöre es euch: In vielen anderen Ländern (natürlich auch Deutschland) werden sexuelle Minderheiten teilweise aggressiv angegangen, attackiert, beschimpft und beleidigt, und sowas ist in Japan eine immense Ausnahme und garantiert 100 mal seltener der Fall als z.B. in Europa. In Japan ist Homosexualität auch weder Strafbar noch als eine Krankheit angesehen, Punkte die selbst europäische Länder noch aufholen müssen.   

Doch die Homoehe z.B.? Ich dachte noch naiv das das wahrscheinlich in Japan möglich wäre... doch ich musste mich dramatisch irren. Mini Quiz: Was denkt ihr wie viele Länder in Asien (ganz Asien!) die Homo-Ehe anerkennen und erlauben? Zahl zwischen 1 und 10? Grübelt kurz? Pi mal Daumen?

Eines! Taiwan, und das erst 2019 per Gericht! In Japan würde wohl keiner verbieten das man einen gleichgeschlechtlichen Haushalt hat (wobei das natürlich auch schiefe Blicke einbringen kann) aber die Ehe, oder die Adoption eines Kindes ist aktuell (2022) für Homosexuelle schlicht unmöglich. 

 

Wir fassen zusammen: Japan ist nicht frei von Fehlern, und selbst ein alter Sack wie ich lernt da immer noch neues kennen und hat auch seine naiven Vorstellungen etwas eingebüßt. Ich denke aber auch die Welt wandelt sich Stück für Stück ein wenig zum besseren... in winzigen, sehr kleinen Schritten. 

 

Was ist eure Sicht auf Japan und ihrer Präsentation von sexuellen Minderheiten? Ist Deutschland da besser? Schlechter? Helfen Manga der Gesellschaft oder sind sie Heuchelei? Kommentare, Korrekturen und Kritik wie immer gerne gelesen ^^

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Ryoko (Donnerstag, 24 März 2022 12:09)

    Wow, hab vorher nie etwas vom Bara begriff gehört, dachte Manga FÜR Schwule Leser wäre dann halt auch Yaoi ^^; Schade das das Land seinem eigenen Anspruch noch hinterherhinkt, aber man kann ja nur für die Zukunft hoffen

  • #2

    Marry-Beth (Donnerstag, 24 März 2022 17:05)

    In Komi can'T Kommunicate gibt es auch einen Non-Binären Charakter, schon nice wie oft solche Figuren nun auftauchen, und schade das es in Japan trotz allem noch so "tot-ignoriert" wird!!!

  • #3

    Castella (Donnerstag, 24 März 2022 22:04)

    Besserung ist in Japan zu dem Thema, wenn schon in Schneckentempo, bereits in Sicht. Innerhalb in der Manga- u. Anime-Industrie gibt es schon mehr Coming-Outs bei Schöpfer und Mitwirkenden. LGBTQ+-Themen werden auch wieder langsam in Mainstreamwerken aufgegriffen und in der Lokalpolitik gibt es mehr Fortschritte zur Gleichberechtigung, in Gegensatz zur nationalen Politik.